Umspannwerke und vor allem Trafos gehören zu den knappen Gütern beim Bau neuer Windparks.
Aktuell treiben Planer ihre zahlreichen genehmigten Projekte voran. Ein Geschäft mit technischen und politischen Herausforderungen.
Nicole Weinhold
Ohne politische Unterstützung und entsprechende Gesetze hätte sich die Branche der erneuerbaren Energien überhaupt nicht entwickeln können“, sagt Torsten Levsen. Er ist Vorstandsvorsitzender der DenkerWulf AG, die in diesem Jahr 30-jähriges Jubiläum feiert. Der schleswig-holsteinische Spezialist für regenerative Energie hat 1995 mit der Projektierung von Windparks begonnen. Damals waren erste Förderungen, Stromeinspeisegesetz und dann im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Voraussetzungen, um Windparkprojekte umsetzen zu können. Heute sind die Erneuerbaren viel wettbewerbsfähiger, haben eine enorme Lernkurve absolviert und zählen zu den günstigsten Stromquellen weltweit. Gleichwohl sind sie in vielen Bereichen weiter abhängig von Förderungen. Das gefiel und gefällt nicht jeder und jedem.
Das EEG ist derweil in der Hoffnung eingeführt worden, ein Problem zu lösen. „Ziel dieses Gesetzes ist es, im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und den Beitrag erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich zu erhöhen, um entsprechend den Zielen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland den Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energieverbrauch bis zum Jahr 2010 mindestens zu verdoppeln.“ So hieß es damals in der Beschlussempfehlung im Bundestag. Die Erneuerbaren hätten gegen die etablierte fossile Energiewirtschaft keine Chance gehabt, ihr Anteil lag damals bei 6,2 Prozent.
Heute seien 100 Prozent erneuerbare Energie das Ziel, so Torsten Levsen. Das allein ist aus damaliger Perspektive ein Erfolg. Ein Sieg, der allerdings auch Verpflichtungen mit sich führt. Regenerative Vollversorgung sei eine ganz andere Herausforderung, „als wenn wir nur 30 bis 40 Prozent in ein bestehendes, stabiles System einspeisen. Das verlangt heute smarte Technologie und Flexibilisierung.“ Die Branche hat längst begriffen, dass einfaches Einspeisen volatiler Leistung keine Option bei steigendem Regenerativanteil ist. „Wenn man 70 Prozent der Energieversorgung schultert und Systemverantwortung hat“, so Levsen, sei ein variabler Verbrauch erforderlich. „Das Zusammenspiel der Systeme Verkehr, Wärme, Strom, Industrie und Privatverbrauch muss smarter gedacht werden.“ An diesem Punkt stehen wir heute. Mit Windstrom betankte E-Autos sollen im Verkehr für sinkenden CO2-Ausstoß sorgen – und künftig bei Bedarf als mobiler Speicher Strom ans Netz abgeben. Die Wärmepumpe, betrieben mit Strom aus Erneuerbaren, soll die fossile Heizung ersetzen. Stromintensive Verbraucher sollen vor allem dann aktiv sein, wenn besonders viel Strom zur Verfügung steht, weil der Wind weht und die Sonne scheint. Batteriespeicher und Wasserstoff sollen die Versorgungslücken schließen. Gaskraftwerke werden in diesem System nur marginal als Back-up für eine einwöchige Dunkelflaute gebraucht.
Wer Wachstum, Industrie und Standort Deutschland stärken will, darf den Strombedarf nicht kleinrechnen. Der Bericht ist nur eine Metastudie; wichtige Faktoren wie Elektrifizierung der Stahlindustrie oder der Bedarf künftiger Rechenzentren werden kaum berücksichtigt.
Foto: BWE
Auflagen und Bürokratie
Der Pfad in Richtung regenerative Vollversorgung ist heute gut ausgeleuchtet. Jeder einzelne Schritt ist aber Neuland. Entsprechend anspruchsvoll ist die Umsetzung für Regenerativspezialisten wie Denker Wulf. Immer wieder kommen neue Anforderungen, neue Gesetze auf Planer in Deutschland zu. Mehr Naturschutzauflagen, mehr Bürokratie, mehr Technologien müssen integriert werden von Bedarfsgerechter Nachtkennzeichnung bis Vogelerkennung. Gleichzeitig wollen Anwohner und Gemeinden stärker an den Einnahmen der Windmüller beteiligt werden.
Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie, sieht weitere Aspekte, die einem schnellen Ausbau der Windenergie im Weg stehen könnten: „Herausfordernd ist die Beschaffung von Trafos und Umspannwerken – die Vorlaufzeiten sind sehr lang. Oft muss man schon bestellen, bevor ein Projektzuschlag vorliegt. Ein weiterer Engpass ist der Transport: Die genehmigten Anlagen müssen über eine Infrastruktur gebracht werden, die vielerorts in schlechtem Zustand ist. Das sind keine unlösbaren Probleme, aber wenn wir plötzlich deutlich mehr bauen als bisher, entstehen neue Nadelöhre.“ Zudem verweist sie auf den Turbinenpreis: „Steigende Kosten bei Stahl und Material haben allerdings bereits zu höheren Preisen geführt.“
„Die Kostentreiber, die die Bürokratie mit sich bringt, machen das Endprodukt teuer“, sagt Torsten Levsen. „Wir zahlen zum Beispiel in Schleswig-Holstein bis zu 250.000 Euro Landschaftsbildabgabe pro Windenergieanlage. Gleichzeitig fordert die Politik günstigere Preise für Verbraucher. Und wir fordern die Politik auf, auch beim Drehen dieser Stellschrauben preisdämpfend zu wirken.“ Denn am Ende steigt durch immer mehr Auflagen der Strompreis, was wiederum zu Unmut führt. Dabei steht fest: Wir müssen es schaffen, bis 2045 CO2-neutral zu werden. Das Gute dabei: Die Erneuerbaren werden zum Wirtschaftsmotor dieses Landes.
Ständig würden die Menschen in Deutschland über Autos und Verbrennungsmotoren diskutieren, wundert sich der DenkerWulf-Vorstand. „Dabei stammen rund fünf Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts aus der Automobilbranche. Und trotzdem hat man das Gefühl, es gäbe ohne Autos für uns keine Zukunft. Dabei ist der Anteil des Energiesektors am BIP deutlich größer.“
Strommarktdesign und EEG
Wirtschaftlich schwierig wird es für die Branche, wenn die Regierung jetzt auf die Bremse tritt bei den Erneuerbaren. Sorge bereite Anfang des Jahres die Diskussion um ein neues Strommarktdesign. Die Ampel überlegte, ein völlig neues, marktorientiertes Finanzierungskonzept auf die Beine zu stellen, das vor allem für Verunsicherung auch bei den Banken gesorgt hätte. Doch Bärbel Heidebroek wiegelt ab: „Wir hören, dass die Regierung die Vorschläge der Vorgänger nicht als Basis sieht, da sie damals nicht eingebunden war.“ Wahrscheinlich werde ein Modell verfolgt, das stärker produktionsabhängig sei und näher am EEG liege. „Von einem komplett neuen, produktionsunabhängigen System scheint man weit entfernt. Das ist positiv, denn zu schnelle und tiefgreifende Veränderungen würden Banken verunsichern und den Ausbau bremsen.“
Wie ist die Regierung überhaupt einzuschätzen? Wirtschaftsministerin Katherina Reiche hat bisher nur für Unmut in der Branche gesorgt. Ist die Regierung beratungsresistent oder offen für Fachgespräche? „Nach 100 Tagen ist noch vieles im Umbruch, aber wir haben den Eindruck, dass wir gehört werden“, so Bärbel Heidebroek. Auf Arbeitsebene seien viele Ansprechpartner gleich geblieben, und der BWE führe Gespräche. „Derzeit liegt der Fokus auf dem Monitoring-Bericht. Geplant ist eine große EEG-Novelle statt vieler kleiner. Wahrscheinlich wird es eher Anpassungen am EEG geben, etwa mit einem Clawback-Mechanismus, also einer Rückforderungsregelung, mit der Einnahmen, die über den Förderbedarf für die Investition hinausgehen, zurückgefordert werden könnten.“
Der zu Redaktionsschluss noch ausstehende Monitoring-Bericht könnte den deutschen Energiebedarf unterschätzen, so die Sorge in der Branche. Dabei werden Wärme und Verkehr derzeit elektrifiziert.
Wenig Strom – viel Wachstum?
Die Regierung müsse sich an ihren eigenen Zielen messen lassen, so Heidebroek. „Wer Wachstum, Industrie und Standort Deutschland stärken will, darf den Strombedarf nicht kleinrechnen. Der Bericht ist nur eine Metastudie; wichtige Faktoren wie Elektrifizierung der Stahlindustrie oder der Bedarf künftiger Rechenzentren werden kaum berücksichtigt. Auch bei Elektromobilität und Wärmepumpen hängt vieles von politischen Signalen ab. Der Eindruck, wir bräuchten weniger Strom, wäre fatal – der Ausbau bleibt zwingend notwendig.“
Bezüglich der anstehenden EEG-Novelle erklärt Heidebroek, sie sollte möglichst nah an bisherigen Mechanismen bleiben. „Ein radikal neues Finanzierungsmodell wäre fatal. Eine Abschöpfung ähnlich wie bei der Strompreisbremse wäre vertretbar, entscheidend ist jedoch das Niveau. Die Branche erholt sich gerade, Hersteller und Zulieferer bauen wieder auf. Eine zu starke Veränderung könnte diese Dynamik abwürgen – mit Folgen für Industrie, Beschäftigung und Standort Deutschland.“
Foto: Denker & Wulf
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