Auch Großspeicher können Cyberangriffen ausgesetzt sein, wenn nicht die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden.
Direktvermarkter Second Foundation sieht Lücken in der deutschen Energiesicherheit, wenn es um die Regelung von Batteriespeichern geht.
Nicole Weinhold
Stromhändler Second Foundation hat einen starkem Fokus auf den physischen Strommärkten – etwa Epex Spot, vom Day-Ahead-Handel bis zur Lieferung – und agiert in Deutschland auch als Direktvermarkter für erneuerbare Energien. Wir sprechen mit Stephan Lehrke, bei der Second Foundation für das Deutschlandgeschäft zuständig, über Energiesicherheit.
Wie sieht Ihr Erneuerbaren-Portfolio aus?
Stephan Lehrke: Vor drei Jahren haben wir die Inpower übernommen, einen klassischen Direktvermarkter in Mainz. Dadurch betreuen wir rund ein Gigawatt an Leistung.
Außerdem vermarkten wir Flexibilitäten – also Batterien, Notstromaggregate oder andere Assets, die Regelenergie bereitstellen können. Das läuft in Osteuropa bereits sehr gut, und wir bauen das Geschäft jetzt auch in Deutschland auf.
Sie vermarkten auch Speicherkapazitäten?
Stephan Lehrke: Genau. Und wir investieren auch selbst in Batteriespeicher. In Deutschland haben wir ein Projekt in Thüringen, das bereits online ist – Projekt Königssee. Weitere Projekte sind im Bau, auch international: Japan, Finnland, Rumänien, Tschechien. Ziel ist, ein eigenes, gruppenintern vermarktetes Speicherportfolio aufzubauen.
Europas Energieversorgung soll resilienter werden, so die allgemeine politische Forderung seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Zudem kommt es immer wieder zu Cyberangriffen – bei der Energieversorgung könnte das in Europa großen Schaden anrichten. Wie kann das Stromnetz unabhängiger werden?
Stephan Lehrke: Dafür sehe ich drei zentrale Komponenten: Erstens das Netz selbst: Der Umbau zu einem dezentraleren Erzeugungssystem erfordert große Investitionen. Strom muss künftig über größere Entfernungen transportiert werden – das erfordert einen zügigen Netzausbau. Der aktuelle Netzentwicklungsplan geht in die richtige Richtung, aber die Umsetzung dauert.
Was passiert in der Übergangszeit?
Stephan Lehrke: Bis das Netz vollständig ertüchtigt ist, wird es lokal zu Engpässen kommen – Redis- patch-Maßnahmen bleiben nötig, um Überlastungen zu vermeiden. Zweitens die Erzeugungsstruktur: Produktion und Verbrauch müssen stets im Gleichgewicht sein. Bei Dunkelflauten braucht es Ersatzkraftwerke. Umgekehrt muss bei Stromüberschuss auch abgeregelt werden können. Extreme Wetterlagen, wie zuletzt in Frankreich, stellen neue Herausforderungen dar.
Welche Rolle spielen dabei Speicher und dezentrale Komponenten?
Stephan Lehrke: Das führt zur dritten Komponente – der Technik. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien entstehen viele dezentrale Assets, die gesteuert werden müssen. Kritisch ist dabei die Steuerungsinfrastruktur – insbesondere bei Batterien. Hier stellen sich Fragen der Souveränität: Wer hat Zugriff auf die Systeme? Woher stammen die Komponenten?
Können Externe auf Speicher zugreifen?
Stephan Lehrke: Im Normalbetrieb steuert der Vermarkter, im Regelenergiebetrieb der Übertragungsnetzbetreiber. Daneben gibt es einen Wartungsmodus. Entscheidend ist: Wer kontrolliert die Software, die diese Steuerung ermöglicht?
Wir wollen auf das Batteriemanagementsystem eigene Software spielen, um sicherzustellen, dass kein anderer Zugriff auf dessen Steuerung hat.
Worum geht es bei der Software konkret?
Stephan Lehrke: Die Steuerungseinheit – oft „Powerplant Manager“ genannt – koordiniert Batteriecontainer, Wechselrichter und die Kommunikation mit Netzbetreibern. Diese Software ist sicherheitskritisch und sollte idealerweise aus europäischer Hand stammen. Wir entwickeln deshalb eigene Lösungen.
Und auf Komponentenebene?
Stephan Lehrke: Auch das Batteriemanagementsystem ist sicherheitsrelevant, besonders die obersten Softwareebenen. Aktuell stammen viele dieser Systeme aus dem Ausland. Wir rüsten diese mit eigener Software aus.
Viele europäische Lösungen enthalten in ihrem Inneren chinesische Bauteile …
Stephan Lehrke: Ja, das weiß ich auch. Das macht uns auch Sorgen. Ich komme gleich darauf, was das bei uns ausgelöst hat. Nur: Die Batteriezellen kommen aktuell aus China. Wenn man in die Zukunft schaut, werden die Batterie und der Wechselrichter stärker integriert sein. Es wird nicht mehr getrennte Komponenten geben. Unser Ansatz ist, dass man zwar weiterhin Komponenten wie die Batteriezelle aus China einkauft – weil die europäischen Versuche zur Eigenproduktion bisher gescheitert sind. Da sehen wir momentan keine Alternative. Für die Steuerung ist das aber nicht so wichtig, weil diese Zellen erst mal „dumm“ sind – da passiert nicht viel. Was wir machen wollen, ist, diese Zellen in einen Batteriecontainer zu integrieren, die Verdrahtung mit den anderen Komponenten selbst vorzunehmen, die Steuerungslösung selbst zu entwickeln und auf das Batteriemanagementsystem eigene Software aufzuspielen. Damit wollen wir sicherstellen, dass wir wissen, was der Code macht – und dass kein anderer Zugriff auf die Steuerung dieser Komponenten hat. Außerdem erhalten wir vollständige Datensätze, und mit diesem detaillierten Wissen können wir die Batterie besser optimieren als andere Flexibilitätsanbieter.
Als technischer Partner ist dabei das deutsche Unternehmen Geräte- und Akkumulatorenwerk Zwickau (GAZ) gemeinsam mit seiner tschechischen Muttergesellschaft, der Traditionschemiefirma Bochemie a.s., an dem Projekt beteiligt. In Kooperation wird unter der Marke GAZ Energy eine europäische Fertigung von Batteriespeichern mit integrierter Steuerung aufgebaut – zunächst für den Einsatz in unseren eigenen Projekten.
Ist das angesichts wachsender Projektgrößen notwendig?
Stephan Lehrke: Ja. Königssee hat zehn Megawatt – das ist überschaubar. Aber kommende Projekte mit 250 oder 500 Megawatt sind direkt ans Übertragungsnetz angeschlossen. Da ist eine vertrauenswürdige Steuerung unerlässlich.
Ihre Lösung betrifft Speicher. Wie sieht es anderswo aus – etwa bei der Photovoltaik?
Stephan Lehrke: Auch dort gibt es Diskussionen. Medien berichteten über verdeckte Schalter in Photovoltaik-Wechselrichtern chinesischer Herkunft. Ob das stimmt, weiß ich nicht – aber es zeigt, wie wichtig das Thema geworden ist.
Geht die Bedrohung von China aus?
Stephan Lehrke: Ja. Es ist erschreckend, wie stark die komplette Produktion und die ganze Industrie nach China abgewandert sind. Photovoltaik war mal eine überwiegend deutsche Industrie – jetzt ist sie in China. Im Batteriebereich hat Deutschland keine wesentliche Rolle gespielt – das waren eher Korea und Japan, die dann an China verloren haben.
Aber es gibt auch positive Effekte, oder?
Stephan Lehrke: Absolut. Dank günstiger chinesischer Komponenten investieren auch Länder wie Pakistan oder Bangladesch massiv in erneuerbare Energien. Das beschleunigt die weltweite Dekarbonisierung – das muss man anerkennen. China hat kürzlich erstmals seinen eigenen CO₂-Ausstoß gesenkt.
Stephan Lehrke,
Geschäftsführer, Second Foundation
Foto: Second Foundation
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