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Kommentar

Hohe Netzentgelte für die Traumrenditen der Verteilnetzbetreiber

Stellen Sie sich vor, Sie legen Geld an und bekommen dafür 20,2 Prozent Zinsen. Ziemlich viel? Weit gefehlt. Es ist nur der Durchschnitt, es geht noch mehr. Sie müssen nur Netzbetreiber in Deutschland sein. Denn diese 20,2 Prozent sind die durchschnittliche Rendite, die Verteilnetzbetreiber jedes Jahr erzielen, wie der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) jüngst herausgefunden hat.

Die Renditen werden natürlich auf Kosten der Stromverbraucher:innen in Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Haushalten erzielt. Denn das geht nur mit üppigen Netzentgelten, die einige – NICHT ALLE – Netzbetreiber in Deutschland als Monopolisten den Verbraucher:innen aus der Tasche ziehen. Die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde schläft tief und fest. Dann fällt natürlich nicht auf, dass einige Netzbetreiber Gewerbesteuer in die Entgelte einpreisen, die sie gar nicht zahlen, wie der BNE kritisiert.

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Entgelte für Einspeisung

Statt wenigstens den dreistesten Netzbetreibern das Handwerk zu legen, schlagen die Beamt:innen vor, die Netzeinspeisung von Solarstrom mit Entgelten zu bestrafen. Angeblich, um zu verhindern, dass die Netzkosten durch einen notwendigen Netzausbau weiter steigen. Doch es ginge offensichtlich auch anders. Wenn die Renditen der Netzbetreiber gedeckelt würden – auf die kalkulatorische Grenze von fünf bis sieben Prozent –, könnten die Unternehmen den Rest in den Netzausbau stecken. Dann müssten sie nicht noch einmal Geld für den Netzausbau einkassieren – oder zumindest weniger.

Keine Hilfe aus der Politik

Zu Recht kritisiert Robert Busch, Geschäftsführer des BNE, dass etwas gründlich schiefläuft, wenn einige Netzbetreiber solche Renditen erwirtschaften können. Doch statt die Netzbetreiber endlich in die Pflicht zu nehmen, will die Bundesnetzagentur den Verteilnetzbetreibern sogar noch mehr Mittel zuschustern – beispielsweise durch die Einführung eines Zinsbonus für Baukosten- und Investitionszuschüsse, wie der BNE mitteilt.

Bundesnetzagentur will Einspeisung von Ökostrom belasten

Apropos Baukostenzuschüsse: Von der Politik ist diesbezüglich ohnehin nichts zu erwarten. Raunt doch Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) von Baukostenzuschüssen für Betreiber von Ökostromanlagen – explizit, um das Geschäftsmodell für die Investition in die Energiewende zu zerstören. So hat sie es auf dem Tag der Industrie, einer Lobbyveranstaltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), betont. Dass sie kein Interesse hat, die Traumrenditen einiger Netzbetreiber zu deckeln, ist kaum verwunderlich. Verdient doch ihr früherer Arbeitgeber Westnetz mit einer Eigenkapitalrendite von 27 Prozent im Jahr 2023 kräftig an diesem Selbstbedienungssystem mit. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

CDU versagt beim Mittelstand

Angesichts der Traumrendite für die Netzbetreiber ist auch die Idee, die Stromsteuer doch etwas zu senken, eher von Augenwischerei getrieben. Die Stromkund:innen sollen mit einem Brosamen abgespeist werden, damit die Netzbetreiber ungehindert weiter verdienen können. Die Industrie – und damit auch der BDI – braucht sich keine Sorgen zu machen, bekommt sie doch einen kräftigen Rabatt auf ihre Stromkosten. Nur die kleineren Gewerbetreibenden – der Mittelstand, der der CDU offensichtlich doch nicht so wichtig ist, wie sie immer wieder in Wahlkampfreden behauptet – und die Privatkund:innen schauen in die Röhre.

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BNE fordert mehr Transparenz

Aus diesem Grund muss mehr Transparenz in die Geschäfte der Netzbetreiber kommen. Schließlich existiert beim Netzbetrieb überhaupt kein Wettbewerb und die Stromkund:innen können sich nicht ihren Netzbetreiber aussuchen. Zu Recht fordert der BNE, dass tatsächlich nur solche Kosten als Preisbestandteile für den Netzbetrieb anerkannt werden, die auch im Wettbewerb anfallen würden. Bestandteile, die die Rendite und damit die Netzentgelte unnötig nach oben treiben, sollten untersagt werden. Der BNE verweist hier auf die Möglichkeit, dass die Netzbetreiber einen Inflationsausgleich gleich doppelt ansetzen können.

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Renditen an die Leistung knüpfen

Zudem sollten die Netzbetreiber künftig ihre realen Eigenkapitalrenditen veröffentlichen müssen, fordert der BNE. Das könnte über eine Transparenzseite bei der Bundesnetzagentur geschehen. Außerdem müssen die Renditen an die Leistungen der Netzbetreiber gekoppelt werden. Wenn sich Netzbetreiber etwa digitaler aufstellen, um die Prozesse kundenfreundlicher zu gestalten, oder wenn sie sogar die Netze effizient gemeinschaftlich führen, können sie auch mehr Rendite erwirtschaften. Einheitliche technische Vorgaben zur Beschleunigung von Netzanschlüssen oder Zertifizierungen von Ökostromanlagen wären da schon ein gewinnbringender Ansatz. „Wer hier versagt, darf nicht unbehelligt als Monopol weiterverdienen“, eine Forderung des BNE, die sich die Bundesnetzagentur und die Wirtschaftsministerin ins Lastenheft schreiben sollten.

Sven Ullrich ist freier Journalist und Redakteur des Fachmagazins ERNEUERBARE ENERGIEN.

Heiko Schwarzburger

Sven Ullrich ist freier Journalist und Redakteur des Fachmagazins ERNEUERBARE ENERGIEN.