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„Green Energy Hub“ für Klimaneutralität

Klimaneutral bis 2035: Dieses Ziel setzte sich Rostock und verabschiedete im Zuge dessen bereits 2022 einen kommunalen Wärmeplan, der verschiedene Maßnahmen für eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung aufzeigt. Auf Basis des Wärmeplans identifizierten die Stadtwerke Rostock zusammen mit dem Wasserversorger und -entsorger Nordwasser GmbH den Ansatz, die von der Kläranlage Bramow im gereinigten Abwasser vorhandene Restwärme nach Temperaturerhöhung ins stadteigene Fernwärmenetz einzuspeisen.

Bereits einige Monate zuvor, im April 2022, lud Nordwasser seine kommunalen Mitstreiter zu einem Workshop: Stadtwerke, Stadtentsorgung und andere relevante Akteure wurden zu einem ergebnisoffenen Brainstorming an einen Tisch gebracht, um die zentrale Frage zu klären: Welche Ressourcen – und welche Bedarfe – haben die unterschiedlichen Unternehmen und wie können diese zwecks bestmöglicher Nutzung und Verteilung übereinandergelegt werden? Als Energieberater an der Schnittstelle zwischen Wasser und Energie, der die Nordwasser bereits mit der Anfertigung eines Grundwasserversorgungskonzeptes unterstützte, übernahm die Tilia die Moderation.

Bramow wurde als geeigneter Standort für den Ausbau eines unternehmensübergreifenden „Green Energy Hubs“ identifiziert, an dem der ganzheitliche Anspruch der Stadt in die Praxis umgesetzt werden kann. Zur Umsetzung wurde die Tilia mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, die die Nutzung konzernweiter Potenziale durch die Errichtung von Anlagen mit optimierter Stoff- und Energienutzung aufzeigen sollte. Das Ziel: Anhaltender ökologischer Nutzen durch aktive Sektorenkopplung, bei optimalem Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Die von der Kläranlage im gereinigten Abwasser vorhandene Restwärme sollte nach Temperaturerhöhung ins stadteigene Fernwärmenetz eingespeist werden.

Ganzheitliche Betrachtung

Im September 2023 nahm unser Team die Arbeit auf, trug verschiedene Technologieansätze zusammen, führte Ressourcen und Bedarfe auf, erhob Mengen und Ausgangsgrößen. Immer ausgehend vom bereits vorhandenen Klärwerk und den Bedarfen der Konzernunternehmen wurden diverse Varianten erstellt. Alte und neue Anlagen wurden unter ökologischen wie ökonomischen Gesichtspunkten in verschiedene Kombinationen gebracht. Manche Bausteine wurden aus Energieeffizienz-, andere aus Wirtschaftlichkeitsgründen abgewählt. Wichtig ist festzuhalten, dass sich nur durch die ganzheitliche Betrachtung aller Anlagenkomponenten herausfinden lässt, wie die Stoff- oder Energiekopplung so effizient wie möglich erfolgen kann. So kann der Transformationsprozess nachhaltig, aber auch wirtschaftlich sinnvoll vorangetrieben werden.

Neben technischen, ökologischen und wirtschaftlichen Faktoren sind dabei auch die systemischen Zusammenhänge der Anlagen von entscheidender Bedeutung. Das gilt, auch wenn diese nicht sofort ersichtlich sind.

Ein Beispiel: Dass die im Klärwerk nutzbare Wärme des Abwassers durch Temperaturerhöhung mittels Wärmepumpen dem städtischen Fernwärmenetz zugeführt werden kann, war bereits klar. Zusätzlich entsteht aber auch Faulgas, was zur Zeit in zwei Blockheizkraftwerken zur Erzeugung von Wärme und Elektroenergie verbrannt wird. Das Faulgas kann man durch CO2-Abscheidung in einer Biogas-Aufbereitungsanlage aber auch zu Biomethan veredeln, das wiederum in der städtischen Busflotte als Ersatz für fossile Energieträger genutzt werden könnte.

Sektorenkopplung liefert Lösungsansätze

Als Herzstück des „Green Energy Hubs“ stellte sich im Rahmen des Variantenvergleichs die geplante Klärschlammverwertungsanlage heraus. Bereits 2012 gründete sich die Klärschlamm-Kooperation Mecklenburg-Vorpommern (KKMV) mit dem Ziel, die bei ihren Gesellschaftern anfallenden Klärschlämme zu bündeln und umweltgerecht sowie wirtschaftlich zu entsorgen. Angestrebt wird dabei eine zu 100 Prozent thermische Nutzung. Da die bereits bestehende Kläranlage in Bramow der größte Klärschlamm-Lieferant der neuen Anlage wäre, würde sich die Errichtung als Teil des „Green Energy Hub“-Standorts deutlich positiv auf dessen Wärmebilanz auswirken. Errechnet wurde, dass eine solche Verwertung des Klärschlamms bis zu 19.000 Megawattstunden Wärmemenge pro Jahr erzeugen könnte, die teils ins Fernwärmenetz eingespeist, teils aber auch den Wärmebedarf der Kläranlage decken und den Weg zur Nutzung des Biomethans aus Faulgas in der Busflotte eröffnen könnte.

Die systematische Bewertung verschiedener Technologien, intelligent gekoppelt, ergab Synergien, die zu monetären Vorteilen führen.

Mehr noch, die bei der Klärschlammtrocknung anfallenden sogenannte Brüden enthalten viel Ammonium, das entweder energieintensiv auf der Kläranlage entfernt werden muss oder per Plasmalyse in nutzbaren Wasserstoff und Stickstoff aufgespalten werden könnte. Dabei handelt es sich um eine innovative Technologie, die gerade erst an den großtechnischen Markt kommt. Trotzdem haben wir das schon mal mitgeprüft, denn eine solche Plasmalyse würde nicht nur Erlöse durch die Vermarktung von Wasserstoff erzielen, sondern gleichzeitig Kosten einsparen, die sonst auf der Kläranlage für die Elimination anfallen würden.

Blaupause für moderne Kreislaufwirtschaft

Am Ende der gut zehnmonatigen Untersuchungen entstand schließlich eine Vorzugsvariante, die mehrstufig und flexibel den Standort Bramow zum Green Energy Hub transformiert. Sie sieht eine Klärschlammverwertungsanlage als zentralen und systemisch relevanten Treiber für einen werthaltigen Gesamtkreislauf vor. Dazu kommen Abwärmenutzung für nachhaltige Fernwärme, Biogasaufbereitung des anfallenden Faulgases, sowie perspektivisch Optionen auf Co-Fermentation, Plasmalyse und Carbon Capture, sowie eine Stromversorgung mit Photovoltaik – per Direktleitung durch eine ehemalige Schlammleitung, die im Rahmen der Flächenanalyse als geeignet befunden wurde.

Der Auftraggeber, die RVV Rostocker Versorgungs- und Verkehrs-Holding GmbH, zeigte sich mit den Ergebnissen zufrieden: Die systematische Bewertung verschiedener Technologien und Varianten, intelligent gekoppelt, ergaben am Ende eine optimierte stoffliche Verwertung und Synergien, die dann auch zu monetären Vorteilen führen. Zusätzlich wirken nennenswerte Treibhausgaseinsparungen – eine Blaupause für moderne Kreislaufwirtschaft unter einem Dach, die nicht nur eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen zur Folge hat, sondern sich auch gesamtwirtschaftlich lohnt.

Finale Investitionsentscheidungen zum Green Energy Hub stehen derzeit noch aus, erste Maßnahmen befinden sich schon in Umsetzung. Auf dem Weg zum nachhaltigen Umbau der Daseinsvorsorge haben wir eine belastbare Basis erarbeitet, die vor allem auch die Vorteile eines technologie- und ergebnisoffenen Dialogs zeigt und der die Betreibersicht von vornherein mitdenkt. So kann der Green Energy Hub, wenn er komplett oder teilweise in die Umsetzung kommt, einen wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit der Stadt Rostock leisten.

Das Konzept verbindet PV-Strom, Abwärme aus dem Klärwerk und Methan für Mobilität.

Grafik: Tilia

Das Konzept verbindet PV-Strom, Abwärme aus dem Klärwerk und Methan für Mobilität.
Autor
Mike Gräfe, Senior Manager, Tilia

Foto: Tilia

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