Nur wenige Stunden nachdem die Förderung für energieeffiziente Neubauten am 20. April angelaufen war, war auch schon wieder Schluss. Viele, die gemeinsam mit ihren Auftraggebern von einem Effizienzhaus 55, für das es schon seit Februar kein Geld mehr gab, umgeplant hatten, schauten nun zum zweiten Mal in die Röhre. Förderfähig sind seitdem „nur“ noch neue Gebäude mit dem Nachhaltigkeitszertifikat „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ (QNG) des Bundes (siehe Kasten).
„Wie kann die Politik sehenden Auges ein Programm mit so geringen Mitteln aufsetzen, dass sie es schon am Vormittag des ersten Tages wieder einstampfen muss?“ kommentierte Jürgen Leppig, Vorsitzender des Energieberaterverbands GIH, die Geschehnisse. Dieser erneute Vertrauensverlust in die Politik bedeute einen weiteren Dämpfer für die Akzeptanz der Energiewende im Gebäudesektor.
„Es ist bitter, dass ausgerechnet der neue grüne Wirtschaftsminister hier ein unter grüner Regierungsbeteiligung im Jahr 2002 begonnenes und erfolgreich entwickeltes Gebäudeförderprogramm stoppen muss, weil die Vorgängerregierung unter Führung der CDU und ihrem Wirtschaftsminister Peter Altmaier seit 2017 gegen Hinweise aus Fachkreisen und dem bundeseigenen Förderinstitut mit der BEG eine Richtlinie platziert hat, die Mitnahmeeffekte in gigantischem Ausmaß verursachte“, urteilt Marita Klempnow vom Deutschen Energieberaternetzwerk (DEN). „Der neuerliche Förderstopp war durch die begrenzten Mittel vorprogrammiert. Er bedeutet de facto, dass es bis zum Jahresende kein Förderprogramm für den innovativen Neubau mehr gibt.“
Weiterbildungen für Nachhaltigkeitsexperten laufen vermehrt an
Der nun notwendige Nachweis zur Erfüllung der QNG-Anforderungen erfolgt über etablierte Systeme zur Nachhaltigkeitsbewertung. Bei der Zertifizierung der Nachhaltigkeit könnte es zu Engpässen kommen, da es im Moment wohl nicht genügend qualifizierte Personen gibt. Viele Weiterbildungen laufen nun an. „Da die Nachhaltigkeitsanforderungen für viele neu sind, sehen wir gerade im Markt eine große Unsicherheit über die Kosten des Zertifizierungsprozesses und vermutete Mehrkosten“, berichtet Johannes Kreißig, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).
Bei einer DGNB-Zertifizierung setzen sich die Kosten zusammen aus Gebühren und den Honorarkosten für die beauftragten Auditorenleistungen. „Die Zertifizierungsgebühren für kleine Wohngebäude liegen je nach Anzahl der Vollgeschosse zwischen 750 und 1250 Euro. Bei Wohngebäuden mit mehr als sechs Wohneinheiten sowie bei Nichtwohngebäuden sind die Zertifizierungsgebühren abhängig von der Bruttogrundfläche“, informiert der Verein. Die Honorarkosten für Auditoren werden zu 50 Prozent durch die BEG-Förderung bezuschusst. Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Leistungen einer Zertifizierung zusätzlich BEG-förderfähig, beispielsweise die Erstellung einer Ökobilanz, die Messung der Innenraumluftqualität oder die Berechnung der Lebenszykluskosten.
Das Osterpaket hat keinen Push für Photovoltaik an Gebäuden gebracht
Doch nicht nur das schnelle Aus nach dem Wiedereinstieg hat viele enttäuscht, auch das Osterpaket fiel unbefriedigend aus – vor allem beim Thema Photovoltaik. Es enthält keine wesentlichen Anreize zur Installation von Solarstromanlagen auf privaten Dächern. Neue Betreiber erhalten nur dann mehr Geld, wenn sie den Strom komplett einspeisen. Das ist immerhin ein Anreiz für Wohngesellschaften mit Dächern auf Liegenschaften, für die eine Eigenverbrauchsstrategie nicht möglich ist. Sie erhalten auf diese Weise eine Alternative. Es fehlen jedoch nach wie vor einfache Konzepte für Mieterstrom.
Schlechteste Gebäude sollten mit Vorrang saniert werden
Mit ihrem Entlastungspaket wiederhole die Ampelkoalition bislang den Fehler der letzten Bundesregierungen und vernachlässige Potenziale von Energieeinsparungen und -effizienz, kritisiert die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff). Sie empfiehlt, neben der Anhebung der energetischen Neubaustandards den Fokus auf die Masse des Gebäudebestands zu legen.
Die Bundesregierung dürfe nicht auf die derzeit verhandelte EU-Richtlinie warten, um besonders ineffiziente Gebäude vorrangig zu sanieren, sondern müsse jetzt die nationale Einführung angehen und so Planungssicherheit schaffen. „Das bisherige Paket hinkt den großen energiepolitischen Fragen unserer Zeit hinterher“, sagt Deneff-Geschäftsführer Christian Noll, denn die Energieunabhängigkeit von Russland und die sozialgerechte Abfederung der Energiepreiskrise würden Energieeffizienz zur Frage von übergeordnetem gesellschaftlichem Interesse machen.
Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck will spätestens zum 1. Januar 2023 eine Neuausrichtung der Bundesförderung mit neuen Kriterien. Sie soll werde dann nicht mehr nur über die KfW, sondern aus verschiedenen Töpfen gespeist werden. Die Diskussion dazu ist in vollem Gange, ein erster Entwurf für eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes liegt vor.
Martin Pehnt, Geschäftsführer des Heidelberger Forschungsinstituts ifeu, fordert für die Novelle der BEG „den Fokus klar auf die Wärmewende im Bestand statt auf den Neubau“ zu legen. Das ifeu schlägt unter anderem vor:
So sieht die BEG im Neubau aus
Seit 21. April ist die Förderung im Neubau nur noch für Effizienzhäuser und -gebäude in der Nachhaltigkeitsklasse möglich. Der maximale Kreditbetrag für die Effizienzhaus-Stufe 40 mit Nachhaltigkeitsklasse beträgt 150 000 Euro je Wohneinheit, es gibt einen Tilgungszuschuss von 12,5 %. Wer ein neues Nichtwohn-Effizienzgebäude 40 mit Nachhaltigkeitsklasse bauen oder kaufen will, erhält ebenfalls einen Kredit mit Tilgungszuschuss in Höhe von 12,5 %. Kommunen können auch einen direkt ausgezahlten Zuschuss bekommen. Die Höchstgrenze der förderfähigen Kosten orientiert sich im Nichtwohnbereich an der Nettogrundfläche des Gebäudes. Es gibt maximal 2000 Euro pro m² und insgesamt maximal 30 Mio. Euro Kredit. Voraussetzung ist jeweils das QNG.
Die Konditionen für Fachplanung und Baubegleitung bleiben unverändert. Außerdem werden Nachhaltigkeitszertifizierungen und die damit in Zusammenhang stehenden Beratungs- und Planungsleistungen einer geförderten Maßnahme gefördert, wenn diese von einer akkreditierten Zertifizierungsstelle ausgestellt worden sind. Für Ein- und Zweifamilienhäuser gibt es dafür 10 000 Euro pro Vorhaben, bei Mehrfamilienhäusern 4000 Euro pro Wohneinheit und maximal 40 000 Euro pro Vorhaben. Im Nichtwohngebäude sind es 10 Euro pro m² Nettogrundfläche und maximal 40 000 Euro pro Vorhaben.
Die bis Ende Juni 2022 gewährten Ausnahmen für Betroffene des Hochwassers 2021 gelten weiter. Sie können auch Förderung für die Effizienzhausstufen 40, 40 EE und 40 Plus beantragen.
Am 20. April hat die KfW zudem ihr Merkblatt zur Förderung BEG Wohngebäude und BEG Nichtwohngebäude in Bezug auf Gasheizungen angepasst. Nicht mehr förderfähig sind Gas-Brennwertkessel, gasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Gasstrahler, Gas-Warmlufterzeuger sowie die zugehörigen Umfeldmaßnahmen wie Abgassysteme und Schornsteine. Das bedeutet jedoch nicht, dass mit Gas beheizte Gebäude im Neubau nicht mehr gefördert werden, es dürfen lediglich die Kosten für die mit Gas betriebenen Wärmeerzeuger nicht berücksichtigt werden.