Die Gewinnerformel beim Deutschen Fassadenpreis 2024 lautete: Fünf in Vier! Gemeint sind damit vier Kategorien, für die der auslobende Fachverband für vorgehängte und hinterlüftete Fassaden (FVHF) fünf Projekte ausgezeichnet hat. Zu den Preisträgern gehören Staab Architekten in der Kategorie „Das besondere Detail“, in der Sparte „Modulares Bauen“ setzten sich TRU Architekten durch. Bei „Bauen im Bestand“ gab es gleich zwei Gewinner: die ARGE Knoche Architektur mit Michael Schmid Architekten sowie Soll Sasse Architekten. Als herausragend in der Kategorie „Junge Architekten“ kürte die Jury aus renommierten Architektur- und Fassadenexpertinnen und -experten das in Berlin ansässige Büro Pasztori Simons.
Kategorie „Das besondere Detail“
Die von Staab Architekten entwickelte Fassade des Erweiterungsbaus des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel (Abb. 1) besticht durch den spannungsvollen Gegensatz des durchgehenden, monolithisch wirkenden Sockelgeschosses und den darauf aufgesetzten Kuben. Deren Glas-Alufassaden reflektieren die Farben des Himmels, wodurch sie selbst optisch zurücktreten. Die ausgewählten Fassadenmaterialien in der Bewitterungsebene sind auf die hohen Anforderungen in Meeresnähe abgestimmt: Prallscheiben vor der Außenverschattung, eloxierte Blechbekleidungen in den Obergeschossen, im Sockel vorkorrodierte Stahlbleche.

Kategorie „Modulares Bauen“
Mit der simplen Idee, das Faltblech zu drehen, erzielten TRU Architekten beim Neubau des Gefahrenabwehrzentrums Gießen (Abb. 2) eine spannungsreiche Fassadenoptik, die zugleich ein lebendiges Lichtspiel erzeugt. Die horizontale Schichtung der Paneele offenbart die Nutzungen nach außen durch die unterschiedlichen Raumhöhen und die Höhe der Bänder. Die Jury sieht in dem Projekt durch seine Schlichtheit und Ästhetik einen Gewinn für die Stadt Gießen. Und es zeigt, dass auch modulare Konzepte ein positives Signal für den Umgang mit Baukultur hervorbringen können.
Kategorie „Bauen im Bestand“
Das Spiel mit den Kontrasten findet sich auch beim Umbau der ehemaligen Hauptpost in Augsburg (Abb. 3). In einer fruchtbaren Arbeitsgemeinschaft setzten Knoche Architektur gemeinsam mit Michael Schmid Architekten dem bestehenden steinernen Baukörper einen leichten metallischen Dachaufbau entgegen, welcher sich geometrisch auf Höhe der ehemaligen Traufe klar vom Bestand absetzt und in seiner Charakteristik deutlich die Trennung zwischen Alt und Neu markiert. Die Jury hob im Kontext des Bauens im Bestand die Wiederverwertbarkeit des Fassadenmaterials hervor und lobte damit dessen Wandelbarkeit.
Das Büro Soll Sasse Architekten entschied sich bei der Sanierung der Stadthalle Göttingen (Abb. 4), die bestehenden Keramikkacheln der Fassadenbekleidung wiederzuverwenden und durch Kacheln in zwei neuen Farben und eine neue Relief-Geometrie zu ergänzen. Dabei wurde die Fassadenkonstruktion in eine klassische hinterlüftete Fassade abgeändert. Auch hier zeigte sich die Jury von dem souveränen und sensiblen Umgang mit dem Thema Wiederverwertung von Baumaterialien beeindruckt.

Kategorie „Junge Architekten (U45)“
Beim Neubau des Studio D in Berlin (Abb. 5) entschieden sich G Pasztori Simons Architekten für eine Stahlrahmenkonstruktion, die den darunterliegenden S-Bahntunnel wie eine Brücke überspannt. Die Gebäudehülle ist mit einem feinen Schindelwerk aus diffussionsoffenen MDF-Platten versehen. Das Besondere daran: Indem die Planer die Vorderseite der sechs Zentimeter breiten Schindeln umgedreht und deren Rückseite mit einem eigens für das Projekt entwickelten UV-Schutz behandelt haben, konnten sie durch die kreative Herangehensweise eine herkömmliche Fassadenbekleidung in ein besonderes Detail verwandeln, anstatt teuren Materialien den Vorzug zu geben.
Fassaden und Baukultur
Die Preisverleihung fand Ende vergangenen Jahres im Next Facade and Design Studio in Frankfurt statt – insgesamt 10.000 Euro Preisgeld standen zur Verfügung, die im feierlichen Rahmen auf die fünf siegreichen Architekturbüros aufgeteilt wurden. Anwesend war auch der frühere Bau-Staatssekretär und heutige stellvertretende Hauptgeschäftsführer des ZIA Zentraler
Immobilienausschuss, Gunther Adler. Er mahnte in seiner Keynote „Bauturbo zünden, Stadtbilder prägen“, dass die derzeit populäre Forderung nach „Einfachem Bauen“ nicht mit einem Verlust an Baukultur einhergehen dürfe, im Gegenteil: Es gelte, die Baukultur wieder mehr zu schätzen. Die Fassade spiele dabei eine wesentliche Rolle, denn Fassaden prägten Stadtbilder. Dabei dürfe über das Design deren Funktion nicht vernachlässigt werden.
Dazu gehört auch der energetische Aspekt – nicht nur passiv durch Dämmung, sondern künftig mehr und mehr auch aktiv durch solare Nutzung mittels bauwerksintegrierter Photovoltaik (BIPV). Nur so kann eine vorgehängte hinterlüftete Fassade im besten Sinne und umfassend nachhaltig sein: Indem sie ökologische, ökonomische und soziale Faktoren beim Neubau wie in der Modernisierung von Bestandgebäuden gleichermaßen berücksichtigt. Vielleicht finden beim nächsten Deutschen Fassadenpreis endlich auch kreative Lösungen mit BIPV den Zuspruch der Jury. Es wäre wünschenswert. si■
Mehr Infos zum Deutschen Fassadenpreis 2024 finden Sie unter
G https://t1p.de/GEB250120 und G www.fvhf.de