Herr Siegrist, was genau macht Lumoview?
Silvan Siegrist: Wir sind ein Technologieentwickler und -lieferant für die geometrische Erfassung von Gebäuden und weiteren Informationen - zum Beispiel Thermalbilder oder Lufttemperatur und -feuchte. Das Ergebnis ist ein geometrisches 3-D-Modell, auf das wir alle Daten verlinken.
Wie funktioniert das?
Mit einem Handheld-Gerät, das wir entwickelt haben, macht die Anwenderin oder der Anwender innerhalb von gerade mal zwei Sekunden eine 360-Grad-Aufnahme eines Raumes. Die Daten werden dann in unsere Cloud geschickt, wo sie mithilfe von
Machine Learning zum Teil automatisiert verarbeitet werden.
Welche Möglichkeiten eröffnet die Technologie für Energieberatende?
Wir bieten zwei Versionen unseres 3-D-Modells an: eine eher reduzierte Variante, die Energieberatende für ihre Energiesimulation nutzen können. Sie erhalten dann ein Mehrzonenmodell, das sich sehr einfach in eine Software wie die von Hottgenroth als IFC-Datei importieren lässt. Mit diesem Angebot fokussieren wir uns auf die klassischen Energieberater und Firmen wie zum Beispiel Novo oder Enter, die daran arbeiten, die Energieberatung zu digitalisieren. Mit unserer zweiten Version richten wir uns an Architekten. Diese erhalten ein komplettes architektonisches Modell mit Grundrissen, Plänen etc., das sich dann für die Sanierung des Gebäudes verwenden lässt.
Was ist der besondere Vorteil von Lumoview?
Die Nutzerinnen und Nutzer können mit unserem Service die Geometrie eines Gebäudes sehr einfach selbstständig erfassen. Zur Schulung reichen ein paar Videos. Das beschleunigt den gesamten Prozess. Wir arbeiten zum Beispiel gerade in einem konkreten Projekt mit einem Energieberater zusammen, bei dem es um ein Gebäude von über 5.000 Quadratmetern mit einer sehr komplexen Geometrie geht. Wenn ein Energieberatungsbüro das 3-D-Modell eines solchen Gebäudes zeichnen muss, ist es damit mehrere Tage oder sogar Wochen beschäftigt. Und wenn es diese Arbeit auslagert, wird es teuer. Bei uns erhalten sie das 3-D-Modell schon am nächsten Tag und können damit loslegen.
Andere Anbieter bieten ebenfalls Technik, um digitale 3-D-Modelle zu erstellen.
Das ist richtig, wir haben die Gebäudevermessung ja nicht erfunden. Aber im Gegensatz zu anderen Anbietern erfasst unser Messsystem eine Fülle von Daten wie etwa Lufttemperatur und -feuchte, ist tragbar, besonders schnell und kann auch von angelerntem Personal verwendet werden. Zudem übernehmen wir das Postprocessing für die Nutzerin und den Nutzer.
Sie hatten gesagt, dass dieses Postprocessing automatisiert und mithilfe von Machine Learning abläuft. Was kann man sich darunter vorstellen?
Das beginnt bei der Entpersonalisierung. Datenschutz ist ja ein wichtiges Thema für uns, weil wir auch Fotos von den Räumen machen. Alle Gesichter, Texte und Zahlen werden daher automatisiert unkenntlich gemacht. So bietet der Scan eines Gebäudes keine personenbezogenen Daten mehr. Die Ausrichtung des Modells nach Norden erfolgt auch automatisch. Zudem gibt es für jedes Panoramabild, das von einem Raum gemacht wird, eine Kantenerkennung. Der Abgleich der Kanten mit dem Laseraufmaß wird ebenfalls vom System selbstständig übernommen. Und schlussendlich lassen sich auf den Panoramabildern mithilfe von Machine Learning auch Objekte wie zum Beispiel Fenster oder Heizkörper erkennen. Das System kann etwa sagen: „Das ist ein Heizkörper vom Typ A, B oder C“, inklusive der konkreten Abmessungen. Unser Ziel ist es, in Zukunft alle Prozessschritte zu automatisieren.
Das heißt also, im Moment sind bei der Bearbeitung noch Menschen involviert?
Ja, die Datenerfassung wird von Mitarbeitenden von Lumoview kontrolliert. Denn die künstliche Intelligenz hat noch ihre Grenzen. Wenn zum Beispiel an einer Wand ein Gemälde oder ein Urlaubsfoto hängt, das ein Fenster darstellt, dann wird der Algorithmus dieses als Fenster erkennen. Deshalb prüft ein Mensch im Hintergrund, ob die Erkennung korrekt ist. Es ist und bleibt ein statistischer Ansatz. Und somit gibt es keine absolute Garantie, dass alles immer richtig erkannt wird. Aber auf diese Weise verfeinern wir unsere Trainingsdaten und sorgen dafür, dass das System immer besser wird. So funktioniert Machine Learning.
Muss denn ein Raum komplett leer geräumt sein?
Es ist kein Problem, wenn im Raum Gegenstände wie etwa Möbel stehen. Solang mindestens 20 Prozent der Wandfläche frei sind, funktioniert das System.
Wie können Energiebratende die Technik von Lumoview nutzen?
Wir stellen unsere Technologie als Dienstleistung bereit. Das heißt, unsere Kunden können sich das Gerät entweder ausleihen und die Messung selbst durchführen. Oder wir übernehmen das für sie.
Enthält der Service noch weitere Funktionen, wenn Lumoview die Messung übernimmt?
Im Standardfall machen wir genau das Gleiche wie die Nutzerin oder der Nutzer, wenn er oder sie das Gebäude scannt. Wir können allerdings schon Listen vorbelegen. Das heißt, wenn wir zum Beispiel mehrere Gebäude erfassen müssen, können wir von diesen bereits Listen vorab in der App anlegen, mit Stockwerken, Raumnummern und so weiter. Dann benötigt man für das eigentliche Scannen weniger Zeit.
Mit welchen Kosten muss man denn beim Einsatz von Lumoview rechnen?
Unser Service enthält die Messung mit dem Gerät sowie das 3-D-Modell Energieberatung oder Architektur. Das Geschäftsmodell ist Pay per use. Das heißt, unser Angebot ist leistungsabhängig und orientiert sich an der Quadratmeterzahl.
Was bedeutet das konkret?
Wenn wir die Messung übernehmen, zahlt die Kundin oder der Kunde ungefähr einen Euro pro Quadratmeter – von der Messung bis zum 3-D-Energiemodell. Wenn die Anwenderin oder der Anwender selbst misst, dann wird es etwa zehn Cent günstiger pro Quadratmeter.
Für welche Gebäude eignet sich die Lumoview-Technik?
Wir fokussieren uns auf Bestandsgebäude, und zwar insbesondere solche, die eher eine einfachere Struktur haben – also Mehrfamilienhäuser, Schulen und ältere Bürogebäude. Eine Tür, Fenster, Heizkörper und begrenzte Abmessungen – das sind die idealen Bedingungen. Dort kann unsere Technologie ihre Stärken ausspielen. Dann lässt sich Raum für Raum sehr schnell und einfach erfassen.
Gibt es weitere Pläne?
Grundsätzlich arbeiten wir daran, auf Basis des geometrischen Modells noch weitere Daten zu erfassen. Wir sind ja ein Spin-off des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR). Und es existiert noch eine Forschungskooperation mit dem DLR, bei der es darum geht, Wandaufbauten mithilfe von Radar zu detektieren. Also Fragen zu beantworten wie zum Beispiel: Besteht die Wand aus Ziegelstein oder ist es eine Holzbauweise? Wie dick sind die einzelnen Schichten? Das wäre natürlich super spannend, weil dies zurzeit nur möglich ist, indem man die Wand öffnet. Aber ich denke, eine solche Entwicklung benötigt noch ein paar Jahre. Ein weiteres Thema ist das Erkennen von Strom-, Wasser- oder Heizungsleitungen. Letztere können wir schon jetzt ganz gut erkennen aufgrund von Temperaturunterschieden. Doch bei einer Stromleitung haben wir noch keine Chance. Aber unsere Kunden fragen uns immer wieder nach solchen Möglichkeiten.

Bild: Thomas Imo / photothek.net
Diese Alternativen gibt es für Gebäudescans
Neben Lumoview gibt es noch weitere Technikanbieter für die 3-D-Digitalisierung von Gebäuden. So hat zum Beispiel Hottgenroth gleich zwei Geräte im Portfolio. Der 3-D-Scanner Hottscan erfasst Raumgeometrien mithilfe von Lasermessungen und Fotos. Innerhalb von zwei Minuten wird laut Hersteller die gesamte 360-Grad-Sphäre eines Raumes gescannt. Die Daten werden im DWG/DXF-Format ausgegeben und lassen sich mit 3-D-CAD-Programmen weiterverarbeiten. Die hochauflösenden 3-D-Bilder können für Gutachten und technische Inspektionen genutzt werden.
Das zweite Gerät – der Raumscanner Oneshot – ist nur so groß wie eine Bluetooth-Box und wiegt knapp 550 Gramm. Er soll Räume innerhalb von nur sieben Sekunden erfassen können. Der Oneshot arbeitet mit sechs HDR-Kameras (High Dynamic Range) sowie zwei Lasern und bietet eine Reichweite von bis zu 40 Metern.
Weitere Infos: www.hottscan.de
Wer die 3-D-Digitalisierung nicht selbst durchführen möchte, kann dafür auch den Sto Klimaservice nutzen. Gegen eine quadratmeterabhängige Pauschale erstellt ein Experte von Sto mithilfe eines mobilen Laser-Scanners ein digitales Aufmaß. Die Rohdaten werden in einer dreidimensionalen Punktwolke dargestellt, die in eine zweidimensionale Ansicht oder ein 3-D-Modell der Bestandsfassade umgewandelt wird. Mit dem Service fokussiert sich Sto auf die Fassadensanierung, das Ergebnis lässt sich zum Beispiel zur Planung von Dämmungsarbeiten nutzen.
Weitere Infos: www.sto.de/klimaservice

Bild: Hottgenroth

Bild: Sto
Unten: Sto bietet Scans als Service zur Unterstützung von Fassadensanierung.
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