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Auf ein Wort

Viel Wind um den sächsischen Wind

„Kreistag will alle Windkraft-Vorhaben stoppen“, titelte kürzlich die Leipziger Volkszeitung. Ein AfD-Antrag habe „Erfolg“ gehabt.

Was war passiert? Mitte September fanden sich die Mitglieder des Kreistags Leipziger Land im beschaulichen Borna ein. Lange hatte die AfD auf diesen „großen Tag“ hingewirkt: Vor dem Verwaltungsgericht hatte sie ein Eilverfahren angestrengt, um ihren Antrag auf die Tagesordnung setzen zu dürfen. Der Landrat gab nach; er wolle nicht unnötig Zeit und Geld verschwenden. Als man schließlich im ehrwürdigen Sitzungssaal des Stadtkulturhauses über die Geschicke der Windkraft verhandelte, versammelten sich auf dem Vorplatz, wie sich dies für solche Anlässe gehört, Demonstranten mit Anti-Wind-Plakaten und stärkten ihren Hoffnungsträgern den Rücken. Beschlossen wurde letztlich zweierlei: Erstens werde man künftig „alle im Rahmen seines Beurteilungs- und Ermessensspielraums bestehenden Möglichkeiten“ nutzen, um Genehmigungen zu begrenzen oder zu versagen. Zweitens wolle man den Regionalen Planungsverband darum ersuchen, ein „sofortiges Moratorium“ für Windenergieanlagen zu erlassen, bis die aktuellen Ausbauziele durch die Bundesregierung evaluiert worden seien.

Ist damit also das Schicksal der Windenergie in Sachsen besiegelt? Nun, vielleicht wäre manche Partei gut beraten, ihr Faible für Juristerei auch auf die eigene Programmatik auszuweiten. Doch der Reihe nach:

Immissionsschutzrecht ist unpolitisch

§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 BImSchG normieren einen Genehmigungsvorbehalt für größere bauliche Anlagen. Selbst ein Vorhabenträger, dessen Anlage sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und sich ein Grundstück per Nutzungsvertrag gesichert hat, darf diese nicht errichten, da sie der Gesetzgeber für potenziell gefährlich hält. Stattdessen behält sich der Staat vor, die Einhaltung von Bauvorschriften selbst festzustellen. Hierfür sind in Sachsen (üblicherweise) tatsächlich die Landkreise und kreisfreien Städte als untere Immissionsschutzbehörden zuständig. Der Knackpunkt liegt im Rechtsstaatsprinzip: Gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz dürfen Behörden nur im Rahmen des Gesetzes handeln. Jede andere Entscheidung würde ein Richter, spätestens das Bundesverwaltungsgericht, nach § 113 Abs. 5 VwGO schlicht verwerfen. Das Recht müsste dem Landkreis also schon wirklich „Beurteilungsspielraum“ zusprechen. Und das tut es nur in fachlichen Dingen. Heißt: Ermessen ist nur soweit gegeben, wie es eine sachgerechte, nicht politisch motivierte, Beurteilung der Tatsachen zuließe. Doch selbst innerhalb der – engen – Beurteilungsfreiheit ist das Ermessen neuerdings, nach § 2 EEG, in aller Regel zugunsten der Erneuerbaren „auf Null reduziert“ (wie der Jurist gerne sagt). Das haben Gerichte schon dutzendfach bestätigt.

Bundesrecht garantiert Ausbauziele

Dieser Teil des Antrags ist also schon mal für die Katz‘. Kommen wir nun zum „Moratorium“. Es ist bereits unverständlich, was damit gemeint ist: Planungsverbände haben keine Sicherungsinstrumente vergleichbar denen einer Gemeinde, mittels derer sie Bauvorhaben unmittelbar untersagen könnten. Überdies hat das OVG Münster kürzlich klargestellt, dass pauschale Windenergie-Moratorien mit Bundesrecht unvereinbar, also nichtig sind. Vermutlich zielt der Kreistag daher darauf ab, die Arbeit an der aktuellen Teilfortschreibung des Regionalplans zu unterbrechen und die Ausweisung neuer Windgebiete zu verzögern. Tatsächlich dürfte nach der bereits erfolgten Offenlegung, bei ungehinderter Sichtung der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Stellungnahmen, bald „formelle Planreife“ im Sinne des § 245e Abs. 4 BauGB eintreten. Damit wären Windenergieanlagen in für die Ausweisung vorgesehenen Gebieten deutlich einfacher zu genehmigen. Was den Kommunalpolitikern jedoch nicht bewusst zu sein scheint, ist, dass eine rasche Planaufstellung in ihrem Interesse liegt. Das gilt insbesondere, wenn bedacht wird, dass der Planungsverband noch vor der Aufgabe steht, die kürzlich im sächsischen Landtag beschlossene Reduzierung des bis 2027 anzustrebenden Flächenziels einzuarbeiten. Sollte es der Region nämlich misslingen, bis Ende 2027 mindestens 1,3 Prozent ihrer Fläche für Windenergie zur Verfügung zu stellen, greift das Sanktionsregime der § 249 Abs. 1 und 7 BauGB. Windenergieanlagen würden dann im gesamten Plangebiet privilegiert zulässig, sogar Mindestabstände zu Wohngebieten würden durch Bundesrecht auf ein Minimum reduziert: Ein Horrorszenario für Energiewende-Phobiker. Zwar ist richtig, dass im Bund eine Evaluierung der Ausbauziele aussteht. Doch findet diese von Gesetzes wegen (§ 7 Abs. 6 WindBG) erst bis 2028 statt, also zu spät. Und auch der Koalitionsvertrag sieht nur vor, die Flächenziele für 2032 neu zu verhandeln, nicht aber jene für 2027.

Bestenfalls Symbolik

Im Ergebnis ist der Antrag reines Partei-Marketing; vielleicht geht der Schuss sogar nach hinten los. Eines wenigstens ist den Gegnern der Energiewende in Borna gelungen: Sie haben ein Negativbeispiel für kluge Politik geschaffen. Man lernt schließlich aus seinen Fehlern.

Martin Maslaton
geschäftsführender Gesellschafter der Maslaton Rechtanwaltsgesellschaft mbH, die sich mit Fragen des Rechts der erneuerbaren Energien beschäftigt.

Maslaton

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