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Elektrifizierung übertrifft Wasserstoff

Fabian Kauschke

Dreiundsiebzig Prozent der Regionalzüge im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) fahren elektrisch. Die S-Bahn in der Hauptstadt ist bereits bei 100 Prozent. Anders sieht es in den umliegenden ländlichen Landkreisen aus. In Brandenburg wird die Elektrifizierung zwar auf vielen Strecken vorangebracht, jedoch ist die Umrüstung nicht auf allen Abschnitten wirtschaftlich sinnvoll. Die Länder Berlin und Brandenburg und der VBB haben sich aber als Ziel gesetzt, bis 2037 alle verbliebenen nicht elektrifizierten Strecken von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen. Wie der Einsatz von grünem Wasserstoff hierbei eine Lösung sein kann, untersucht der Verkehrsbund in der Praxis mit dem Einsatz einer ersten Wasserstoffbahn im Verbundgebiet.

Forschungsprojekt untersucht H₂-Einsatz

Von Groß Schönebeck über Basdorf bis Berlin-­Gesundbrunnen fährt die Regionalbahn 27-mal täglich. Seit Dezember 2024 rollen auf der Strecke der sogenannten Heidekrautbahn sieben Wasserstoffzüge. Ziel des Verkehrsbunds ist es, die dieselbetriebenen Bahnen nach und nach durch Fahrzeuge mit alternativen Antriebsmöglichkeiten zu ersetzen. In einem Forschungsprojekt der Niederbarnimer Eisenbahn, der Kreiswerke Barnim und des Energieunternehmens Enertrag wird daher untersucht, welche Rolle hierbei Wasserstoff einnehmen kann. Mit den Untersuchungen soll gezeigt werden, dass vor Ort produzierter grüner Wasserstoff auch vor Ort verwendet werden kann, ohne die Energienetze zu belasten. Zudem sollen mit dem Projekt Kostensenkungspotenziale ermittelt werden. Das Wasserstoff-Forschungszentrum der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg sowie das Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt begleiten die Erprobungen wissenschaftlich.

2037 sollen alle Bahnstrecken in Berlin und Brandenburg von fossilen Brennstoffen unabhängig sein.

1.000 Kilometer Reichweite für Wasserstoff

Zum Einsatz kommt dabei der Mireo Plus H von Siemens Energy. Der Regionalzug mit Brennstoff­zellen­antrieb zeichne sich durch ein Traktionssystem mit einer hohen Antriebsleistung von 1,7 Megawatt für eine Beschleunigung von bis zu 1,1 Metern pro Sekunde und eine zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 140 Kilometern pro Stunde aus. Sowohl die selbsttragende, geschweißte Leichtbaustruktur in Aluminium-Integralbauweise als auch die verbesserte Aerodynamik, Energieeffizienz der Komponenten und das Bordnetzmanagement würden zur Reduzierung von Ressourcenverbrauch und Emissionen beitragen. Mit rund 1.000 Kilometern pro Tankfüllung ist die Reichweite des Wasserstoffzugs vergleichbar mit ähnlichen dieselbetriebenen Bahnen. Bislang versorgen Trailer die Bahn mit dem Kraftstoff, da das Wasserstoffkraftwerk vor Ort aufgrund einer verzögerten Baugenehmigung erst 2026 zur Verfügung stehen wird. Nach anfänglichen Schwierigkeiten laufe der Betrieb für den VBB reibungslos. Positiv würden die Fahrgäste zudem die Laufruhe und die wegfallenden Emissionen einschließlich der Geruchsbelästigungen loben.

Nicht überall Elektrifizierung umsetzbar

Im Verkehrsnetz Brandenburg laufen aktuell ­Ausbauarbeiten für den elektrischen Betrieb, beispielsweise auf der Strecke des RE 9 zwischen
Berlin und Stettin. Für andere Bahnlinien wie die RB65 zwischen Cottbus und Görlitz ist eine Umstellung in den 2030er-Jahren vorgesehen. An einigen Stellen sei die Elektrifizierung durch Oberleitungen aber mit jetzigem Stand nicht wirtschaftlich darstellbar.

Das betrifft unter anderem die Streckenabschnitte zwischen Jüterbog und Potsdam oder Brandenburg an der Havel und Rathenow. „Nicht jede Strecke muss durchgehend mit einer Oberleitung ausgebaut werden. Für Batterie-Triebzüge genügt eine abschnittsweise Elektrifizierung der Strecke, für Wasserstoff-Triebzüge eine Tankstelle, die regelmäßig mit Wasserstoff versorgt wird“, betont Uwe Schüler, Staatssekretär im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg.

Mit den sieben Wasserstoffzügen der Heidekrautbahn wird erprobt, wie diese im Betrieb funktionieren. Da es sich bei den eingesetzten Wasserstoffzügen aber um ein Forschungsprojekt handelt, ist kein flächendeckender Einsatz vorgesehen. Der Landesnahverkehrsplan 2023 bis 2027 des Landes Brandenburg gibt jedoch vor, „für jede Dieselstrecke eine Alternative umzusetzen“.

Im Gebiet des VBB sind aufgrund der Rahmenbedingungen keine weiteren Linien mit Wasserstoff geplant.

Thomas Dill,
VBB-Bereichsleiter Center für Nahverkehrs- und Qualitätsmanagement

Batteriebetriebene Züge laden beim Fahren

„Im Gebiet des VBB sind aufgrund der Rahmenbedingungen, insbesondere der hohen H2-Kosten, keine weiteren Linien mit Wasserstoff geplant. H2 hat daher hier im Schienenpersonennahverkehr keine große Bedeutung. Die Zukunft wird eindeutig in der Elektrifizierung gesehen“, sagt Thomas Dill, VBB-Bereichsleiter Center für Nahverkehrs- und Qualitätsmanagement. Bis eine Elektrifizierung überall wirtschaftlich ist, kommen für den Ersatz von dieselbetriebenen Fahrzeugen daher Batteriezüge auf die Schienen. Diese laden sich während der Fahrt an der Oberleitung auf und fahren anschließend auch auf nicht elektrifizierten Strecken.

Die Niederbarnimer Eisenbahn hat 2021 und 2022 neben den sieben Wasserstoffzügen auch 31 batteriebetriebene Mireo-Züge bei Siemens Mobility bestellt, die aktuell in den aktiven Betrieb eingegliedert werden. Ohne Oberleitungskontakt legen diese bis zu 120 Kilometer im Batteriebetrieb zurück. Durch diesen Wechsel von Diesel auf Wasserstoff und Batterie sollen der jährliche CO₂‑Ausstoß des Zugverkehrs in Berlin und Brandenburg um etwa 14,5 Millionen Kilogramm reduziert und rund 5,5 Millionen Liter Diesel eingespart werden.

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