Die Müllverbrennungsanlage Amager Bakke verbrennt seit 2017 in Kopenhagen jährlich 400.000 Tonnen Müll und beliefert rund 160.000 Haushalte mit Fernwärme und 62.500 Häuser mit elektrischer Energie. Das Dach dient als künstliche Skipiste.
Überschüssiger Windstrom landet im Wärmespeicher, während auch Waste-to-Energy und CCS zum Erreichen den Klimaziele beitragen.
Nicole Weinhold
Eine Rasenskipiste lädt in Kopenhagen zu einem ungewöhnlichen Erlebnis ein. Copenhill ist eigentlich kein Berg, sondern die Müllverbrennungsanlage Amager Bakke in der dänischen Landeshauptstadt. Zwei Klimathemen an einem Ort: Skifahren auf Kunstrasen als Symbol für Klimaanpassung bei steigenden Temperaturen. Andererseits die Müllverbrennung und energetische Nutzung, also Waste-to-Energy, als Alternative zu fossilen Energien.
2028 Kohleaus im Königreich
Immerhin: Die Dänen werden 2028 ihr letztes Kohlekraftwerk vom Netz nehmen. 2023 kamen die Skandinavier bereits auf 54,3 Prozent Erneuerbare und Waste-to-Energy im Primärenergiemix. In Deutschland waren es 20 Prozent Erneuerbare im vergangenen Jahr. Der Anteil von Energie aus Abfall ist bei uns minimal. Und überhaupt: Kopenhagen, die Fahrradstadt, Europas „Green Capital“, will noch vor 2030 klimaneutral werden; Berlin will das bis 2045 schaffen. Allerdings wollten die Kopenhagener ursprünglich bereits 2025 CO2-neutral werden. 2022 erklärten die Verantwortlichen der Stadtverwaltung, das Ziel eines kohlenstoffneutralen Kopenhagens bis 2025 sei nicht mehr realistisch, nachdem die Ski- und Müllverbrennungsanlage ARC einen Antrag auf staatliche Unterstützung für den Bau einer Anlage zur CO₂-Abspaltung und -Speicherung zurückgezogen hatte. 40 Prozent des dort verbrannten Mülls sollen Plastikabfälle sein – auch das ist ein Aspekt, der optimiert werden soll.
Seit diesem Jahr arbeitet nun Eon gemeinsam mit dem Amager Ressource Center an der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) am Müllheizkraftwerk Amager Bakke in Kopenhagen. Das Projekt trägt den Namen Copen Capture und zielt darauf ab, jährlich rund 400.000 Tonnen CO2 aus der Abluft des Kraftwerks abzuscheiden und unterirdisch zu speichern. Die Partnerschaft ist von der finanziellen Unterstützung durch das dänische CCS-Förderprogramm abhängig. Deutlich wird: Dänemark hat wenig Vorbehalte gegenüber CCS.
Breites Parteienbündnis für CCS-Technik
Dänemark hat sich 2023 entschieden, die umstrittene CCS-Technik zu nutzen – in der Nordsee und auch an Land. Dabei wird Kohlendioxid in tief gelegene Gesteinsschichten gepresst. Ein breites Parteienbündnis einigte sich darauf, ab 2029 über 15 Jahre umgerechnet gut drei Milliarden Euro dafür zur Verfügung zu stellen. 34 Millionen Tonnen CO2 kommen damit in den Untergrund. Das entspricht etwa dem, was Dänemark derzeit in 15 Monaten an CO2 in die Luft bläst.
2 bis 5Cent pro Kilowattstunde thermische Energie kostet – ganz grob gerechnet – die Wärme aus Erdbeckenspeichern. Die Kosten pro gespeicherter Kilowattstunde hängen stark von der Speichergröße, Bauweise, Lebensdauer und Nutzungshäufigkeit ab.
Ein Argument gegen CCS lautete in der Vergangenheit oft, man laufe Gefahr, dass die Bemühungen für CO₂-Neutralität erlahmen, weil man alles per CCS abspeichern will. Timo Poppe, CEO der Firma EEW Energy from Waste, lässt diese Argumentation nicht gelten: „Klimaschutz erfordert beides: Emissionen vermeiden, wo es möglich ist – und Emissionen abscheiden oder nutzen, wo sie unvermeidbar sind.“ Gerade in industriellen Prozessen und der Abfallverwertung werde man Restemissionen nie vollständig verhindern können. „CCS und CCU (CO2-Nutzung) sind deshalb kein Rückschritt, sondern ein Gebot der Vernunft und der Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik. Wer diese Lösungen nicht nutzt, nimmt in Kauf, dass wir unsere Klimaziele verfehlen.“
Weltklimarat beschäftigt sich mit CCS
Fest steht, das Thema CCS wird immer bedeutender. Selbst der Weltklimarat IPPC hat sich 2022 eingehend damit beschäftigt, zumal sich nicht alle CO2-Quellen gänzlich werden abschalten lassen. Während CCS laut IPCC in einigen Sektoren wie der Gasverarbeitung und der Erdölförderung bereits relativ gut etabliert ist, steht es in anderen Sektoren, insbesondere in der Energie-, Zement- und Chemieindustrie, noch vor Herausforderungen. Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit günstiger Rahmenbedingungen: unterstützende politische Instrumente, verstärkte öffentliche Unterstützung und kontinuierliche technologische Innovation, um die Hindernisse für die Einführung von CCS zu überwinden und die Emissionsminderungsziele zu erreichen. Der IPCC-CCS-Bericht betont die Bedeutung der Verfügbarkeit von geologischen Speicherstätten für den Erfolg von CCS-Initiativen und hebt die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in verschiedenen Sektoren hervor. Es wird jedoch auch eingeräumt, dass die breite Einführung von CCS mit Herausforderungen verbunden ist.
Müllverbrennung mit hohem Plastikanteil
Bezüglich des hohen Anteils an Plastik bei der Verbrennung von Restabfällen im Kraftwerk Amager Bakke kann man zudem sagen, dass mit einer Energieeffizienz von 107 Prozent immerhin 550.000 Menschen mit CO2-armem Strom und 140.000 Haushalte in der dänischen Hauptstadtregion mit Fernwärme beliefert werden. Etwa 20 Prozent der Fernwärme in Dänemark werden durch Müllverbrennung erzeugt, und 2007 trug sie etwa vier Prozent zur Stromerzeugung bei. Mehr als zwei Drittel der dänischen Haushalte sind bereits an Fernwärmenetze angeschlossen, wobei ein wachsender Anteil erneuerbare Energiequellen und Abwärme nutzt.
Die Weltbevölkerung erzeugt mehr als zwei Milliarden Tonnen Hausmüll pro Jahr, wovon mindestens 33 Prozent nicht umweltgerecht entsorgt werden. Energie daraus zu gewinnen, erscheint also durchaus als das kleinere Übel. „Natürlich ist es unser Ziel, Kunststoffe möglichst zu vermeiden, wiederzuverwenden oder hochwertig zu recyceln“, sagt auch Timo Poppe über sein Unternehmen. „Um gezielt herauszufinden, welche Wertstoffe in den bereits vorsortierten Abfällen noch enthalten sind, investieren wir in eine neue Vorsortieranlage an unserem Standort Delfzijl, die Kunststoffe vor der thermischen Verwertung entnehmen kann.“ Viele Kunststoffe ließen sich aber auf absehbare Zeit aus technischen, wirtschaftlichen oder hygienischen Gründen nicht recyceln. In diesen Fällen bleibe Waste-to-Energy die klimafreundlichste Alternative zur Deponierung, da sie ein Vielfaches an Treibhausgasemissionen vermeidet.
Wärmespeicher für Windstrom
Die dänische Wärmetransformation ist aber vor allem bezüglich des Themas Wärmespeicher für Deutschland interessant. Die Skandinavier verfügen über den höchsten Windstromanteil in Europa. Um diese Quelle optimal zu nutzen, wandeln sie überschüssigen Windstrom in Wärme um und speichern ihn als Warmwasser in riesigen Becken.
Das CEE Bankwatch Network veröffentlichte 2022 eine Fallstudie zur Fernwärme in Marstal auf der dänischen Insel Ærø. Die Stadt war der erste Ort, der ein solares Heizsystem einführte. Das Fernwärmesystem von Marstal entwickelte sich von einem traditionellen Heizwerk zu einem Pionier für Solarwärme und saisonale Wärmespeicherung. Neben der vollständigen Versorgung mit erneuerbaren Energien wurde Marstal für zwei Jahrzehnte Praxiserfahrung mit solarthermischen Erdbeckenspeichern bekannt. Die Studie kam zu dem Schluss, dass größere Erdbeckenspeicher oder Pit Thermal Energy Storage (PTES) die Kosten erheblich senken. Das erste große Erdbeckenspeicher-Demonstrationssystem in Marstal mit 10.000 Kubikmeter Volumen war fast dreimal so teuer wie das 2015 in Vojens gebaute größte saisonale Speicherprojekt. Es hat ein Volumen von etwa 200.000 bis 205.000 Kubikmetern Wasser und eine thermische Speicherkapazität von rund 18.800 Megawattstunden. Die Anlage ermöglicht eine saisonale Speicherung von Wärme, hauptsächlich aus Solarthermie, und deckt mehr als 50 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs des lokalen Fernwärmenetzes. Über ganz Dänemark verteilt betreiben Fernwärmefirmen elektrische Heizsysteme mit 2.000 Megawatt Leistung, die Windstrom in Warmwasser umwandeln. Ist der Energiehandelspreis niedrig, wird Wärme gespeichert.
Nischentechnologie mit Vorzügen
PTES bleibt im Vergleich zu anderen Speichertechnologien wie Batterien oder Salztanks zwar vorerst eine Nischentechnologie. Aber neue Projekte in Deutschland und anderen europäischen Ländern sind derzeit in der Entstehung.
Kein Wunder, die Technologie bietet im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien große Vorteile: PTES nutzt einfache Materialien wie Wasser, Erde und Isolierung, was die Investitionskosten im Großmaßstab senkt. Es werden keine seltenen oder umweltschädlichen Rohstoffe benötigt, und die Wiederverwendung von Materialien ist möglich. Die Anlagen können 25 Jahre und länger genutzt werden, viele Lade- und Entladezyklen erleben, ohne dass die Speicherkapazität nennenswert abnimmt. Und die Technologie eignet sich besonders für die saisonale Speicherung großer Wärmemengen, was mit Batterien wirtschaftlich und technisch kaum realisierbar ist.
Foto: Solites
In Eggenstein-Leopoldshafen wurde 2022 ein Erdbecken-Wärmespeicher als saisonaler Wärmespeicher gebaut und mit Wasser befüllt. Wärme z. B. aus Solarthermie wird vor allem in großen Nah- oder Fernwärmenetzen eingesetzt.
CO2 unter der Nordsee
Dänemark hat 2023 als erstes Land in der EU mit der kommerziellen Speicherung von CO₂ unter der Nordsee begonnen. Carbon Capture and Storage (CCS) gilt als wichtiges Instrument zum Erreichen der Klimaneutralität. Zudem verfügt Dänemark über geeignete geologische Formationen unter der Nordsee, vor allem ehemalige Gasfelder.
Greensand ist ein Pilotprojekt, bei dem CO₂ aus Belgien unter der Nordsee in einem dänischen Gasfeld gespeichert wird.
Northern Lights ist ein weiteres CCS-Projekt in Zusammenarbeit mit Norwegen.
Kaum Erdbeckenspeicher
Deutschland verfügt nur über wenige große Erdbecken-Wärmespeicher, die mit solarthermischen Großanlagen kombiniert wurden.
Beispiele:
Wärmespeicher in Friedrichshafen: ca. 12.000 Kubikmeter
Wärmespeicher in Eggenstein-Leopoldshafen (Projekt Solites): Demonstrationsspeicher
Wärmespeicher in Hamburg-Bramfeld (im Bau, geplant für ca. 40.000 Kubikmeter)
Wärmespeicher in Ludwigsburg-Kornwestheim: ca. 45.000 Kubikmeter, thermische Kapazität ca. 22 Gigawattstunden
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