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Ukraine: Solartechnik wichtig für Resilienz und Wiederaufbau

Am 3. Oktober 2025 fand der Podillia Investment Summit statt, in einem alten Kloster der Dominikaner. Die Stadtverwaltung von Kamianets-Podilskyj hat es zum Konferenzzentrum und Museum umgebaut.

Gut 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Wirtschaft und kommunalen Verwaltungen sowie internationale Gäste aus Deutschland, Rumänien und Polen diskutierten Chancen und aussichtsreiche Technologien. Dabei ging es nicht nur um die Region Podillien, sondern die ganze Ukraine. Der Energiesektor spielte naturgemäß eine große Rolle, neben Wirtschaft, Gesundheit, Sicherheit, Landwirtschaft und Tourismus.

Biohaus schickt weitere Solaranlagen in die Ukraine

70 Prozent Atomstrom

Der Energiesektor der Ukraine ist bekannt – und berüchtigt seit April 1986, als zwei Reaktoren in Tschernobyl nördlich von Kiew explodierten. Dennoch wurde die Ukraine 2021 zu 55 Prozent aus Atomstrom versorgt. Insgesamt 81 Terawattstunden stammten aus Atommeilern.

Seit dem russischen Angriff wurden alle fossilen Kraftwerke in der Ukraine angegriffen, auch die Atomanlagen in Tschernobyl oder Saporischja blieben nicht verschont. Die Kohleförderung im Donbas wurde weitgehend lahmgelegt. Importe von Kohle und Gas aus Russland kamen zum Erliegen. Deshalb stieg der Anteil der Atomkraft 2024 auf 70 Prozent.

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Solarstrom deckt 18 Prozent des Bedarfs

Was nur wenige wissen: Erneuerbare Energien decken bereits 27 Prozent des Strombedarfs der Ukraine. Das Gros (18 Prozent) wird durch Photovoltaik versorgt. Das wundert nicht, denn vor der russischen Aggression wurden große Solarfelder installiert.

Die Voraussetzung sind vor allem im südlichen Landesteil sehr gut: Bei 1.900 bis 2.400 Sonnenstunden pro Jahr beträgt die Einstrahlung pro Quadratmeter über 1.350 Kilowattstunden per annum.

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Stromausfällen vorbeugen

Auf der Konferenz in Kamianets-Podilskyj wurden unter anderem Pläne für große Industrieparks vorgestellt. Sie sollen mit großen Solardächern auf Hallen und Gebäuden versorgt werden. Damit wollen die Projektierer auch lokalen Stromausfällen und regionalen Blackouts vorbeugen.

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Sie sind eine Folge der Angriffe auf große Kraftwerke, die bei Schäden oft lange ausfallen. Solaranlagen erweisen sich deutlich robuster: Bei einem Treffer reicht es meist aus, die beschädigten Module zu ersetzen, und die Anlage ist wieder betriebsbereit.

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Mangel an Energie und Unterbrechung der Versorgung

Der Mangel an Energie und Unterbrechungen in der Versorgung sind nicht nur für private Haushalte ein Problem, die im Dunkeln sitzen und nicht heizen können. Krankenhäuser oder Einrichtungen der Pflege können ihre Dienste nur aufrecht erhalten, wenn sie über Notstromsysteme verfügen.

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So bekommt die Ukraine und mit ihr die ganze Welt die Anfälligkeit und Nachteile zentraler Kraftwerke vor Augen geführt. Deshalb mehren sich beispielsweise die Rufe aus dem ukrainischen Militär, dezentrale Strukturen auszubauen.

Vielfältige Anwendungen

Solarenergie ist effizient, kostengünstig und skalierbar in alle Größenordnungen. Das wurde beim „Podillia Investment Summit“ diskutiert. Professor Hennadii Zhuk ist Direktor des Nationalen Gas-Instituts und Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Er referierte über ökonomische Perspektiven von Biogas aus der Behandlung von Abwässern.

Svitlana Len, Chefin der Stadtwerke in Podillia, stellte neue Ideen zur Kombination von BHKW mit erneuerbaren Energien vor. Im Heizkraftwerk von Kamianets-Podilskyj wird ukrainisches Erdgas in Blockheizkraftwerken aus umgerüsteten Schiffsmotoren eingesetzt. Zusammen mit Wärme aus Biomasse sichern die BHKW die Wärmeversorgung der Stadt.

Website der Biohaus-Stiftung

Bei Investitionen in erneuerbare Energien geht es naturgemäß um Solarenergie. Ich habe in meinem Vortrag verschiedene Anwendungen vorgestellt, die bereits in der Ukraine installiert oder in Planung sind. Dazu zählen kleinere Privatanlagen, mittelgroße Solardächer mit und ohne Batteriespeicher für Krankenhäuser, Gewerbebetriebe sowie Solarparks.

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Nahezu unbekannt: Agri-PV

In der Ukraine nahezu unbekannt sind Balkonkraftwerke oder Agri-PV. In meinem Vortrag konnte ich vermitteln, dass sich Solarmodule und landwirtschaftliche Nutzung der Fläche für Beerenanbau, Viehhaltung oder Ackerbau nicht ausschließen. Im Gegenteil: Sie erzielen doppelten Nutzen.

Website des BSW Solar zur Kampagne Solar hilft

Bei cleverer Kombination sind sogar höhere Ernten zu erwarten. Die Module werden besser gekühlt, dadurch steigt ihr Stromertrag. Weil die Module die Kulturen und Flächen gegen Hagel, Starkregen, Hitze und Erosion schützen, steigen die Erträge aus dem Anbau.

Zahlreiche Rückfragen zeigten, dass diese Themen bereits hohes Interesse finden – trotz des Krieges. Für den Wiederaufbau des gepeinigten Landes bieten sie wichtige Perspektiven.

Luftalarm während der Konferenz

Zudem erweist sich dezentrale Solarenergie als resilient gegen Angriffe mit Drohnen und Raketen. Während fossile Kraft werke oft tagelang oder über Wochen ausfallen, sind Schäden an Solarparks innerhalb kurzer Zeit behoben.

Das ist keine Theorie: Während meines Aufenthalts gab es mehrfach Luftalarm. Nicht nur im umkämpften Ostteil der Ukraine, sondern auch in den westlichen Regionen um Kamianets-Podilskyj und Lwiv.

Anlage auf der Poliklinik im Ort

Natürlich nutzte ich meinen Besuch, um die von der Stadt Paderborn und Biohaus-Stiftung gelieferte Solaranlage auf der Poliklinik von Kamianets-Podilskyj zu inspizieren. Sie wurde im September fertig gestellt.

Beeindruckend, wie professionell die Anlage installiert wurde. Selbst bei diesigem Herbstwetter lieferte sie noch guten Ertrag. Die Stadt Kamianets-Podilskyj will nun dem Beispiel Paderborns folgen und möglichst viele öffentliche Dächer für Solaranlagen nutzen. (HS)

Der Autor: Willi Ernst ist Gründer und Vorstand der Biohaus-Stiftung in Paderborn. Er gehört zu den Pionieren der Solarbranche und hat große Erfahrungen mit Hilfsprojekten unter anderem in Haiti und der Ukraine.

Wer Montagesysteme, Batteriespeicher und andere Solarkomponenten für die Ukraine beitragen möchte, melde sich gern bei Willi Ernst, unter dieser E-Mail: willi.ernst@biohaus-stiftung.org