In der Produktion von Wärmepumpen bei Panasonic in Pilsen werden viele Arbeitskräfte gebraucht.
Wärmepumpen statt Fernseher: Wie Panasonic in Pilsen den Wandel von der Unterhaltungselektronik zur Energiewende vollzieht.
Es ist ein Stück Industriegeschichte, das sich in der westböhmischen Stadt Pilsen abspielt. Fast drei Jahrzehnte lang war Panasonic hier vor allem als Hersteller von Fernsehern bekannt: 1996 eröffnet, verließen von hier aus Millionen von Röhren-, Plasma- und später LCD-Geräten die Fabrikhallen. 40 Millionen Geräte insgesamt – ein Symbol für die Globalisierung der Unterhaltungselektronik.
Doch Anfang der 2020er-Jahre endete diese Ära. Im immer härter umkämpften TV-Markt, dominiert von Anbietern aus Südkorea und China, konnte Panasonic preislich nicht mehr mithalten und hat im Zuge der Schließung seiner TV-Produktion im Werk Pilsen zwischen 900 und 1.000 Mitarbeiter entlassen müssen. Die Produktion von Fernsehern wurde an ein externes Unternehmen ausgelagert, während das Werk in Pilsen weiterhin mit rund 300 bis 370 Mitarbeitern die Herstellung von Wärmepumpen, Blu-ray-Playern und Aufnahmegeräten fortsetzt. Die Schließung war damals ein Verlust für eine Region, die seit Jahrzehnten im Zeichen der Industriearbeit stand.
Inzwischen ist Pilsen wieder ein industrielles Zukunftszentrum, denn Panasonic hat die Weichen neu gestellt – und damit auch den Standort zukunftsfähig gemacht.
Von der Krise zur Erneuerung
2018 unternahm Panasonic eine wichtige Weichenstellung: Die Produktion von Luft-Wasser-Wärmepumpen begann – zunächst als Ergänzung, dann Schritt für Schritt als Hauptgeschäft. Was damals noch wie ein Nischenprojekt anmutete, ist heute das zentrale Wachstumsfeld.
Die Abkehr vom TV-Geschäft mag kurzfristig Arbeitsplätze gekostet haben, langfristig aber zeigt sie ein Bild, das weit über Pilsen hinausweist: die Transformation klassischer Industriearbeit hin zu Technologien, die direkt mit Klimaschutz und Energiewende verknüpft sind.
Die globale Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 hat den Bedarf an unabhängiger, erneuerbarer und gleichzeitig bezahlbarer Energieversorgung in Europa dramatisch beschleunigt. Genau hier kommt die Wärmepumpe ins Spiel – und mit ihr die Chance einer industriellen Erfolgsstory.
CO2-neutrales Riesenwerk
Mit Investitionen in Millionenhöhe hat Panasonic in Pilsen nun eine der größten Wärmepumpenfabriken Europas hochgezogen. Rund 320 Millionen Euro flossen in die Modernisierung und den Ausbau der bestehenden Strukturen. Auf nunmehr 140.000 Quadratmetern entstehen in einer „CO₂-Netto-Null-Fabrik“ hochmoderne Anlagen, die sowohl private Haushalte als auch Industriegebäude heizen und kühlen können.
Die Produktionskapazität ist beachtlich: Bis 2030 will Panasonic jährlich bis zu 1,4 Millionen Wärmepumpen-Einheiten fertigen. Bereits heute laufen rund sechs Produktionslinien für Geräte zwischen 3 und 30 Kilowatt Leistung. Möglich ist ein Ausbau auf 21 Linien – ein Zeichen dafür, dass das Unternehmen einen Marktboom erwartet.
Dabei spielt Automatisierung eine entscheidende Rolle. Über 80 Roboter, fahrerlose Transportsysteme und KI-gestützte Prozesse sind bereits integriert. Zugleich werden hoch qualifizierte Stellen im Bereich Ingenieurwesen, Fertigungssteuerung und Forschung geschaffen. Rund 700 Beschäftigte arbeiten schon heute in Pilsen; bis 2030 soll sich die Zahl verdoppeln.
Enrique Vilamitjana, Managing Director Panasonic Heating & Cooling Solutions Europe, erklärt, warum Panasonic sich für den Standort Pilsen entschieden hat. „Wir hatten eine Fernseherfabrik und damit eine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft. Und wir mussten unsere neue Fabrik errichten. Wir haben also eine Umstellung der Fertigung vorgenommen, wobei die Mitarbeiter von der TV-Produktion zur Wärmepumpenproduktion wechselten. Diese Kombination aus hochqualifizierten, sehr professionellen Mitarbeitern und der Möglichkeit, in Europa zu produzieren, war für uns ausschlaggebend.“ Jeder, der im Rahmen der Eröffnung als Werksmitarbeiter über Wärmepumpen-Innovationen spricht, sei im Jahr 2018 noch zu 100 Prozent in der Fernseherproduktion tätig gewesen. „Wir haben investiert, wir haben die Entscheidung getroffen und wir erhalten das Doppelte unserer Investition zurück. Wir haben jetzt also wirklich professionelle Leute, die dieses Geschäft vorantreiben.“
Die Kombination aus hoch qualifizierten, sehr professionellen Mitarbeitern und der Möglichkeit, in Europa zu produzieren, war für uns ausschlaggebend.
Forschung und Produktion am selben Ort
Besonders bemerkenswert: Panasonic bindet die Forschung direkt in den Produktionskomplex ein. Mit einem Investitionsvolumen von etwa 600 Millionen Tschechischen Kronen (rund 25 Millionen Euro) wird in Pilsen ein europäisches Forschungs- und Entwicklungszentrum aufgebaut.
Hier entstehen Labore, in denen Wärmepumpen unter simulierten Extrembedingungen getestet werden – von arktischer Kälte bis zu Wüstenhitze. Die Zusammenarbeit mit der Westböhmischen Universität in Pilsen und der Technischen Universität Ostrava ist zentral. Angehende Ingenieure und Techniker können hier direkt in realen Projekten mitwirken. Für die Region bedeutet das eine enge Verzahnung von akademischer Ausbildung, Forschung und Industrie. „Die Integration von Technik und Fertigung ermöglicht schnellere Innovationen und eine bessere Reaktion auf Markttrends“, erklärt Tetsumasa Mizuta, Managing Direktor der Fabrik in Pilsen, dazu. Genau dieser Schulterschluss ist es, der den Unterschied zum alten TV-Werk ausmacht: Während Fernseher ein von Asien geprägtes Massenprodukt wurden, entsteht hier nun technologische Wertschöpfung mit europäischem Schwerpunkt.
Auch politisch hat die neue Fabrik Signalwirkung. Tschechiens Premier Petr Fiala sprach bei der Eröffnung von einem „Beweis der technologischen Wettbewerbsfähigkeit“ seines Landes. Was zunächst nur nach Nationalstolz klingt, betrifft tatsächlich die Position Europas in einer Welt, in der Energiesouveränität immer wichtiger wird.
Wärmepumpen ersetzen fossile Energieträger – Gas aus Russland eingeschlossen. Europa will schneller dekarbonisieren, elektrische Systeme ausbauen und Importe fossiler Brennstoffe drastisch reduzieren. Panasonic reiht sich damit ein in eine Entwicklung, die von Brüssel bis Berlin politisch gefördert wird. Der Wärmepumpenmarkt wächst rasant: 2024 lag das europäische Volumen bei rund 12,2 Milliarden Euro, Prognosen zufolge sollen es bis 2034 mehr als 71 Milliarden sein.
Die Panasonic-Fabrik ist so nicht nur ein Produktionsstandort, sondern auch ein Symbol: für Europas Fähigkeit, Zukunftstechnologien im eigenen Haus herzustellen.
Jetzt erkennen die Regierungen in ganz Europa einschließlich Deutschland die grundlegende Notwendigkeit, von Gas und Öl für die Heizung auf Wärmepumpen umzusteigen.
Vom Jobverlust zum Jobmotor
Die Schließung der TV-Produktion hatte einst schmerzhafte Folgen für viele Arbeiterinnen und Arbeiter. Doch das neue Wärmepumpenwerk hat bereits Hunderte Stellen geschaffen – und das in Sektoren, die langfristige Sicherheit bieten. Denn Heizung und Kühlung bleiben Grundbedürfnisse, die mit der Energiewende nur an Bedeutung gewinnen.
Darüber hinaus schafft Panasonic Nachfrage bei lokalen Zulieferern. Schon heute will das Unternehmen bis zu 85 Prozent seiner Komponenten aus Europa beziehen. Das bedeutet zusätzliche Wertschöpfung für tschechische und europäische Mittelständler – vom Metallbau über die Sensorfertigung bis hin zur Softwareentwicklung für Regeltechnik.
Der Arbeitsplatzmotor Energiewende läuft also nicht nur in Pilsen, sondern europäisch und global. Paul Kenny, Generaldirektor der European Heat Pump Association, erklärte während der Eröffnung, die Wärmepumpenbranche stärke die Energiesicherheit Europas, die Wirtschaft und den europäischen Weg zur Dekarbonisierung. „Jetzt erkennen die Regierungen in ganz Europa einschließlich Deutschland die grundlegende Notwendigkeit, von Gas und Öl für die Heizung auf Wärmepumpen umzusteigen.“
Mit Blick auf den deutschen Wärmepumpenmarkt fügte er an, die Gegenreaktion gegen die Einführung der Technologie während der Ampelregierung sei politisch motiviert gewesen. „Sie wurde durch einen politischen Kampf angeheizt und sorgte für viele Schlagzeilen in den Zeitungen. Einer der positiven Aspekte dabei ist, dass die Menschen nun verstehen, dass ein Wandel notwendig ist. Und ich denke, dass dies langfristig zur Energiewende in Deutschland beitragen wird“, so Kenny. In anderen Ländern sei das jedoch nicht zu beobachten gewesen.
Wachstumssegment
Die Geschichte von Panasonic in Pilsen verdeutlicht: Die Energiewende bedeutet nicht nur Verzicht und Regulierung, sie ist auch eine Chance für die Wirtschaft und ein neuer Jobmotor. Wo einst ein rückläufiger Markt Arbeitskräfte freisetzte, entstehen heute hoch qualifizierte Stellen in einem Wachstumssegment mit globaler Zukunft.
Für die Tschechische Republik ist das eine Industrieoffensive, für Europa ein Beitrag zur Energiewende – und für Panasonic eine gelungene Transformation im globalen Wettbewerb.