Sonne oder Gas? In der Bundesregierung ist die Entscheidung noch nicht endgültig gefallen. Immerhin: Im sächsischen Witznitz wurde eine alte Kohlehalde solarisiert.
Die neue Bundesregierung will den Zubau von Solaranlagen beibehalten. Bisher wirkt das stabilisierend auf den Markt. Doch das kann sich ändern.
Sven Ullrich
Wird es Änderungen geben? Und wenn ja, welche? Das ist die zentrale Frage, die sich die Solarbranche angesichts der neuen Bundesregierung stellt. Anders als beispielsweise in Österreich, wo die neue Dreierkoalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen die vorteilhaften Regelungen für die Photovoltaik innerhalb weniger Tage nach Regierungsantritt abgeräumt hat, hält sich die schwarz-rote Koalition in Berlin noch zurück.
Der Blick in den Koalitionsvertrag lässt zunächst hoffen, dass es keine Verwerfungen wie in Österreich geben wird. Die Stimmung auf der Branchenmesse in München war dementsprechend einigermaßen gelöst. Denn die Ausbauziele für 2045 sollen laut Koalitionsvertrag erhalten bleiben.
Bestehende Hemmnisse abbauen
Ebenfalls anders als in Österreich ist auch der finanzielle Druck angesichts der 500 Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren in den Ausbau der Infrastruktur fließen sollen, nicht so groß. „Zudem soll die weiterhin offene Umsetzung wichtiger Vorgaben von EU-Ebene, wie der RED-III-Richtlinie, zügig in Angriff genommen werden“, zählt Daniel Hölter Leiter der Abteilung Global Policy and Markets bei Baywa RE, einen weiteren Aspekt auf. „Dies ist zu begrüßen, da es zu weiteren Erleichterungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren führen wird.“
Nachhaltige Energie ist eine günstige und sichere Energie. Diese Erkenntnis hat sich noch nicht auf allen Ebenen verfestigt.
Wichtig und richtig ist nach Hölters Ansicht auch der Plan der Regierung, bestehende Hemmnisse für mehr Flexibilität abzubauen, den Smart-Meter-Ausbau voranzubringen und die Rahmenbedingungen für Batteriespeicher zu verbessern. Allerdings machen die ersten Äußerungen von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wenig Mut. Auf dem Tag der Industrie raunt sie von der Verschiebung der Klimaziele auf 2050.
Klimaschutz steht im Grundgesetz
Das geht zwar nicht so einfach, da laut Grundgesetz Artikel 243h die Sondervermögen nur ausgegeben werden dürfen, wenn auch die Klimaziele 2045 erreicht werden. Doch die Wirtschaftsministerin hat schon ein Schlupfloch ausgemacht. Sie bringt Baukostenzuschüsse auch für Betreiber von Ökostromanlagen ins Gespräch – ausdrücklich, um das Geschäftsmodell zu zerstören. Das lässt an die einstige Sonnensteuer der letzten schwarz-roten Koalition denken.
Diese Baukostenzuschüsse galten bisher nur für Speicher und sind ein Grund, dass der Ausbau von größeren Batterien jahrelang ausgebremst wurde. „Kritisch fällt uns zudem auf, dass andere Teile des Koalitionsvertrags sowie erste Äußerungen von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche der notwendigen Flexibilisierung unseres Stromsystems diametral entgegenstehen“, erklärt Daniel Hölter.
Netze besser ausnutzen
Genau diese Flexibilisierung ist jetzt die nächste Aufgabe, die angegangen werden muss, wie Thorsten Blanke, Geschäftsführer von Belectric, betont. Er kritisiert, dass es aufgrund der steigenden Zahl von Stunden mit negativen Strompreisen schon jetzt mit der Wirtschaftlichkeit der Anlagen eng ist. „Batteriespeicher wären eine wichtige Lösung, doch die Wartezeiten auf den Netzanschluss sind viel zu lang“, betont er.
Immerhin wären die Speicher aber ein Weg zu mehr Wirtschaftlichkeit – und damit weniger Abhängigkeit von der Förderung. „Co-Location unter Ausnutzung der tatsächlich vorhandenen Netzanschlusskapazitäten verspricht eine bessere Wirtschaftlichkeit für den Betreiber“, erklärt Stefan Ahlers, Head of Project Germany bei IBC Solar, mit Blick auf die Kombination aus Solaranlagen und Speichern. „Die Regulatorik für derartige Konzepte ist aber weiterhin deutlich zu komplex und in Teilen unklar.“
Baukostenzuschüsse abschaffen
Dazu kommen noch die bürokratischen Hürden von der Erbschaftssteuer bis zum Baukostenzuschuss für Batteriespeicher. „Eine Abschaffung des Baukostenzuschusses für Speicher wäre wünschenswert“, schlägt Thorsten Blanke von Belectric vor. „Wenn der Zuschuss künftig noch höher ausfällt, kommt das entsprechende Geschäftsmodell für Investoren und Betreiber weiter in Schieflage.“
Zudem will Katherina Reiche offensichtlich eher auf Gaskraftwerke statt auf Speicher setzen. 20 Gigawatt sollen ausgeschrieben werden. „Damit scheint der Fokus eher auf der staatlichen Förderung von Gaskraftwerken als auf der Stärkung der Flexibilität zu liegen“, sagt Daniel Hölter von Baywa RE. „Auch der diskutierte Industriestrompreis könnte falsche Anreize setzen und die notwendige Flexibilität auf der Verbrauchsseite bremsen. Ein flexibler Strommarkt ist die beste und nachhaltigste Möglichkeit, die Systemkosten zu senken und Industrieunternehmen von den günstigen Erzeugungskosten der Erneuerbaren profitieren zu lassen“, bringt er es auf den Punkt.
PPA-Preise unter Druck
Gewerbe und Industrie sollen hingegen subventionierte Strompreise bekommen. Während dies bei der Industrie sinnvoll ist, die im internationalen Wettbewerb steht und kaum den Strombedarf durch Investitionen in Erneuerbare decken kann, sieht die Lage im Gewerbe anders aus. „Das Gewerbe hat sehr wohl Möglichkeiten, durch Investitionen in Energieeffizienz und nachhaltige Energieerzeugung die Energiekosten zu senken“, sagt Stefan Ahlers von IBC Solar. „Hier wirkt ein eventueller Strompreisrabatt kontraproduktiv. Vielmehr sollte es hier Investitionsanreize geben, um Investitionen zu fördern. Ein entsprechender Impuls für Energiekonzepte im Gewerbe ist dringend erforderlich.“
6.072Megawatt Solarleistung wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres aufgebaut. Das ist zwar ein gutes Ergebnis. Allerdings sind dies nur gut 1,2 Gigawatt pro Monat. Notwendig wären über 1,6 Gigawatt monatlich.
Denn bei sinkenden Strompreisen für Industrie und Gewerbe geraten auch alternative Refinanzierungskonzepte wie Power Purchase Agreements (PPAs) weiter unter Druck. „Wir beobachten, dass die Preise für PPA-Stromverträge sinken“, berichtet Stefan Spork, Leiter des Regional Centers Central Europe bei Goldbeck Solar. „Das erschwert die wirtschaftliche Umsetzung bereits geplanter Projekte, insbesondere wenn sie auf langfristigen, stabilen Erlöserwartungen basieren. Die Kalkulation wird dadurch zunehmend anspruchsvoller.“
Unsicherheiten bleiben
Derzeit ist die Nachfrage nach großen Solaranlagen ungebrochen. „Aktuell sehen wir im Bereich der Freiflächenanlagen keine signifikanten Veränderungen in der Nachfrage“, sagt Stefan Spork. „Die politischen Anpassungen haben bislang keinen spürbaren Einfluss auf das Investitionsverhalten in diesem Segment gezeigt.“ Der Markt hat sich nach einem kurzen Einbruch nach Regierungsantritt im März und April dieses Jahres auch schnell wieder erholt. Lag der Zubau im März und April bei 817 und 945 Megawatt, hat er im Mai wieder die Ein-Gigawatt-Marke überschritten.
Dennoch bleibt Unsicherheit in der Branche. „Sie führt dazu, dass sich die Freigaben innerhalb des Planungsprozesses verzögern, da man keine Risiken eingehen möchte“, weiß Danny Stadler, Leiter Projektmanagement und Konstruktion bei Belectric. „Zudem wird die Personalplanung erschwert und es kommt zu Über- oder Unterkapazität innerhalb eines Projektes oder des Unternehmens. Natürlich hat das auch Einfluss auf die finanzielle Planungssicherheit von EPC-Dienstleistern wie uns“, sagt er.
Maßnahmen vom Ziel her denken
Die Unternehmen in der Branche sind sich einig, was dringend notwendig ist. Es sind keine Debatten über angeblich zu teuren Ökostrom. Die Preisentwicklungen an der Börse zeigen, was seit Langem klar ist: Nur Solar- und Windstrom senken die Preise, nicht die Gaskraftwerke. „Wir benötigen vor allem stabile Strompreise und einen verlässlichen sowie zukunftsfähigen Netzausbau. Nur mit klaren und stabilen Rahmenbedingungen lassen sich Großprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien langfristig erfolgreich planen und umsetzen“, fasst Stefan Spork von Goldbeck Solar die zentralen Forderungen zusammen, die in der Branche zu vernehmen sind.
Dazu kommt noch der Abbau der Hemmnisse bei der Flexibilisierung des Stromsystems und mehr marktwirtschaftliche Anreize dafür. Zudem sollten die verschiedenen politischen Vorhaben aufeinander abgestimmt werden, dass nicht die einen die anderen blockieren.
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