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Stromfischer mit Sensornetz

Branchenanalysen prognostizieren, dass die Stromgestehungskosten bei Floating-Wind-Anlagen bis 2030 von derzeit rund 200 Euro pro Megawattstunde (MWh) auf 40 bis 60 Euro sinken könnten – vorausgesetzt, die komplexen technischen Herausforderungen werden beherrscht. Dazu zählen nicht zuletzt die Automatisierung, die dynamische Steuerung sowie die zuverlässige Strukturüberwachung der Anlagen unter extremen Offshore-Bedingungen.

Schwimmende Windkraftanlagen operieren unter Bedingungen, die weit über das hinausgehen, was klassische Offshore-Fundamente aushalten müssen: Windgeschwindigkeiten von über 30 Meter pro Sekunde, Wellenhöhen bis 20 Meter. Und selbst wo solche Bedingungen auch klassische Offshore-Windpark-Gründungen träfen: Zusammen mit dem korrosiven Milieu wirken sie sich auf schwimmende Windenergieanlagen gravierender aus. Die für deren Stabilität beispielsweise notwendigen aktiven Maßnahmen – etwa Wasser in den Schwimmfundamenten von einer Säule ihrer Struktur zur nächsten zu pumpen, um die Anlage stabil aufrecht zu halten – sind entsprechend komplex.

Leichtbau, Korrosionsschutz und Kosteneffizienz sind dabei unter einen Hut zu bringen – was hohe technische Ansprüche stellt. Hinzu kommen neue dynamische Lasten durch das bei Schwimmanlagen intensivierte Zusammenspiel von Wind, Wellen und drehendem Rotor: Ungleichmäßige Kräfte, Schwingungen, stärkere Materialermüdung als angenommen können die Folge sein.

Dabei werden die Wirtschaftlichkeitsanforderungen weitere Materialeinsparungen erzwingen. Denn die Floating-Konstruktionen befinden sich noch in einer allgemeinen Pilotphase, einige Designs werden wieder vom Markt verschwinden, eher wenige Designs werden sich durchsetzen: Letztlich sind alle heute existierenden schwimmenden Windfarmen noch Testwindparks.

Besonders herausfordernd ist die Yaw-Steuerung, die Ausrichtung der Gondel gegen den Wind. Neben klassischen Mehrpunktverankerungen existieren alternative Designansätze, die auf eine aktive Yaw-Funktion verzichten. Das Eolink-System nutzt beispielsweise eine Einpunktverankerung, die es der gesamten Plattform erlaubt, sich passiv im Wind auszurichten – ähnlich einem Wetterhahn. Während der aufwendige Yaw-Mechanismus entfällt, entstehen neue Herausforderungen bei Plattformstabilität, Kabelführung und strukturellem Lastmanagement.

Komplexe Steuerung und Regelung

Hier sind fortschrittliche Steuerungs- und Regelungssysteme unabdingbar. Moderne Konzepte setzen auf aktive Dämpfungssysteme, die kontinuierlich Sensordaten analysieren und modellbasiert verarbeiten – hierbei digitale Zwillinge zur Abbildung der Optimalzustände errechnen, um davon abweichende Plattformbewegungen zu kompensieren und die Gondel optimal auszurichten.

Ziel ist es auch, Resonanzphänomene oder schädliche Betriebsbedingungen frühzeitig zu erkennen und durch gezielte Gegensteuerung zu minimieren. Und bei Plattformen mit Einpunktverankerung, die sich vollständig mit dem Wind drehen, braucht es robuste Kabelführungssysteme, die dauerhaft hohe mechanische Beanspruchung aushalten.

So werden bei Floating-Anlagen klassische Regelstrategien durch prädiktionsbasierte Algorithmen ergänzt, die Wetter- und Strömungsdaten in Echtzeit analysieren und die Anlagenausrichtung vorausschauend anpassen – bevor kritische Lastspitzen überhaupt auftreten.

Eine zentrale Rolle spielt dabei das erweiterte Aktuatorlinienmodell: Es berechnet aerodynamische Kräfte entlang der Rotorblätter mit hoher Genauigkeit, erlaubt eine feinfühlige Steuerung der Pitch- und Yaw-Komponenten und sorgt so für die gewünschte stabile Gondelausrichtung. Diese vorausschauende Regelung reduziert nicht nur ungewollte Schwingungen und Materialermüdung, sondern trägt entscheidend zur Effizienzsteigerung und Lebensdauerverlängerung der Anlagen bei.

60 Euro-Pro-Mega­wattstunde (MWh) ist gemäß Branchenanalysen die anzustrebende Kosteneffizienz schwimmender Offshore-Windparks. Auf diesen Wert könnten die Stromgestehungskosten der Floating-Wind-Anlagen von heute vorherrschenden 200 Euro pro MWh schon bis 2030 fallen, um Windstrom zu Kosten von vielleicht sogar schon 40 bis 60 Euro zu erzeugen. Steuerungs-, Sensor- und Automatisierungs-Technik werden darüber mit­entscheiden.

Schlüsseltechnik Strukturüberwachung

Die strukturelle Integrität von Floating-Wind-Anlagen für bis zu 35 Jahre Lebensdauer sicherzustellen, erfordert auch ein durchgängiges Monitoring ihrer Beanspruchung. Genau hier setzt Structural Health Monitoring (SHM) an: Es erfasst kontinuierlich die Belastungszustände zentraler Komponenten und erkennt frühzeitig Abweichungen, die auf Schäden oder Materialermüdung hindeuten.

Grundlage dafür sind digitale Zwillinge, die als virtuelle Abbilder der realen Anlage fungieren. Sie verknüpfen SHM-Daten mit Finite-Elemente-Simulationen und ermöglichen Aussagen über Alterungsprozesse, Restlebensdauer und Wartungsbedarf.

Ihre präzise Modellbildung mit komplexen dynamischen Lastpfaden ist noch aus anderem Grund essenziell: Die Schwimmfundamentstruktur lässt sich nicht ausschließlich mit großen Designprogrammen vom grünen Tisch aus schon ideal modellieren. Stattdessen müssen die Modelle die Hotspots als strukturelle Schwachpunkte mit lokal erhöhter Belastung im Anlagenbetrieb ermitteln, also wenn die Anlage läuft. Dasselbe gilt auch für die konkreten Bedingungen am Ankerstandort wie Strömungen im Wasser mit ihren Einflüssen darauf, wo diese Hotspots genau liegen oder wie stark sie ausfallen. Mittels guter Messtechniken können und müssen Ingenieure ihre Modelle im Betrieb daher Schritt für Schritt schärfen. Es dient nicht zuletzt auch dazu, künftige Anlagen und Komponenten in ihren Designs besser auszulegen. Auch die Beweglichkeit der Struktur mit ihrem Einfluss auf die Eigenfrequenzen der Anlagenkörper und insgesamt das Schwingungsverhalten stellt sich erst im Betrieb heraus.

Die dafür benötigten Daten liefern multimodale Sensornetze, die unterschiedliche physikalische Größen erfassen: Faseroptische Dehnungssensoren messen lokale Verformungen und Temperaturverläufe – mit hoher Auflösung und immun gegen elektromagnetische Störungen. Piezoelektrische Beschleunigungsaufnehmer detektieren hochfrequente Vibrationen, Eigenfrequenzen, Bewegungsamplituden, die auf strukturelle Schäden hinweisen können. MEMS-Inertialsensoren erfassen Neigungswinkel, Schwingungen und Rotationen der Plattform. Wave Radare und Scour-Sensoren erfassen komplexe Welleneigenschaften und die Bodenerosion.

Alle Sensoren sind Teil eines integrierten SHM-Konzepts, das die Daten mit Modellen des digitalen Zwillings abgleicht. Bei kritischen Abweichungen greifen automatisierte Schutzstrategien, die die Anlage in einen sicheren Zustand überführen.

Die für solche Sensorik-Ausstattungen in künftigen schwimmenden Windparks anfallenden Ausgaben von etwa 0,1 bis 0,3 Prozent der Gesamtanlagekosten fallen angesichts der Rahmenbedingungen wie zunehmender Knappheit an Arbeitskräften und immer mehr zu betreuender und womöglich noch ferner von der Küste errichteter Anlagen mit längeren Anfahrtswegen und hohen Investitionskosten nicht mehr ins Gewicht. Bereits für die folgenden semikommerziellen Projekte benötigt es vollständige Sensorik schon deshalb, weil Anlagenausfälle zu teuer werden und Fernüberwachung die klassischen Kontrollgänge erübrigen muss. Am Ende dieser Pilotphase wird es bei Designs und Betriebspraktiken auch zur Standardisierung kommen müssen, die das Kosten-Nutzen-Verhältnis optimiert.

Automatisierung, strukturintegrierte KI

Die hohe Dynamik schwimmender Plattformen erfordert natürlich verlässliche, störungsresistente Datenkommunikation. Satelliten- und 5G-Verbindungen ersetzen terrestrische Netzwerke, sind aber störanfälliger, gerade bei starker See. Durch künstliche Intelligenz gestützte Auswertealgorithmen filtern kritische Muster aus großen Datenströmen heraus, ohne Fehlalarme zu erzeugen. Darüber hinaus werden SHM-Erkenntnisse künftig genutzt, um betriebsstrategische Entscheidungen zu unterstützen: Standortwahl, Plattformdesign, Materialauswahl oder Wartungsintervallplanung.

Floating Wind wird nur skalierbar, wenn Monitoring, Regelung und Plattformdesign von Anfang an zusammengedacht werden. Sensorik ist hier der verlässliche Sinneskanal einer komplexen, maritimen Anlage in Bewegung. Ohne diese Verbindung zwischen Struktur und intelligenter Interpretation bleibt Floating Wind blind für das, was es überleben lässt: die Kenntnis des eigenen Zustands.

­Holger Fritsch,
Geschäftsführer, Bachmann
Monitoring GmbH

Foto: Bachmann Monitoring

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