Es war ein etwas unappetitliches Weihnachtsgeschenk, das die österreichische Energieregulierungsbehörde E-Control den Stromkunden in der Alpenrepublik im vergangenen Jahr präsentierte. Denn nur fünf Tage vor dem Fest war klar: Die österreichischen Haushalte sowie Gewerbe- und Industriebetriebe zahlen mehr Netzkosten. Im Schnitt steigen die Entgelte für die Nutzung des Stromnetzes in Österreich um 19 Prozent – etwas weniger fürs Gewerbe, etwas mehr für die Haushalte.
Doch damit nicht genug. „Seit 1. Januar 2025 fällt auch die Elektrizitätsabgabe von 1,5 Cent pro Kilowattstunde wieder an“, erklärt Karl Wetzlmayer, Geschäftsführer von Kwantum Eco-Solutions, auf der diesjährigen Frühjahrstagung des österreichischen Branchenverbandes PV Austria in Wien.
Seit 2021 gesetzlich geregelt
Dazu kommen noch die Förderkosten für die Erneuerbaren, die der Staat bis Ende 2024 übernommen hat und die jetzt wieder auf die Verbraucher umgelegt werden. „Das heißt, es wird für viele in Österreich zu einer massiven Strombezugskostenerhöhung kommen“, sagt Wetzlmayer. Kwantum Eco-Solutions konzentriert sich auf Solarprojekte für Kommunen und mittelständische Unternehmen. Ein Standbein ist die Umsetzung von gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen.
Denn diese können ein Schlüssel sein, den üppigen Kostensteigerungen zu entkommen. Schließlich haben Mieter – sowohl privat als auch im Gewerbe – kein eigenes Dach, um selbst Solaranlagen zu installieren. Hier führt der Weg über die gemeinschaftliche Nutzung des Daches des Gebäudes, in dem sie Mieter sind.
In diesem Bereich ist Österreich Vorreiter. Dies liegt nicht zuletzt an der durchaus schon gut ausgebauten Gesetzeslage für solche gemeinschaftlichen Modelle – sowohl auf dem Land als auch in den Mehrfamilienhäusern der Städte. Nachdem diese Möglichkeiten im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und im Elwog 2021 eingeführt und geregelt worden waren, ging es sukzessive voran. Noch im selben Jahr hatten sich fünf Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften gegründet.
Die ersten 550 gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen auf den Dächern von Mehrfamilienhäusern – das zweite mögliche Modell der kollektiven Stromnutzung – waren dann im Jahr 2022 fertig. Im selben Jahr hatte sich die Zahl der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften verzehnfacht. Einen kräftigen Schub gab es 2023. In diesem Jahr stieg die Zahl der gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen auf 1.370 an. Gleichzeitig hatten sich 70 Bürgerenergiegemeinschaften (BEG) gegründet, die dritte Möglichkeit der kollektiven Solarstromnutzung, während die Zahl der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften etwas langsamer wuchs.
In diesem Segment gab es 2024 einen regelrechten Durchbruch: Die Zahl dieser Gemeinschaften hatte sich von 1.050 auf 3.180 mehr als verdreifacht. „Es ist erfreulich, dass sich inzwischen so viele Energiegemeinschaften gegründet haben, obwohl dieses Modell etwas komplizierter geregelt ist als das der gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen“, sagt Bernd Vogel, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds (KLIEN) auf der Frühjahrstagung von PV Austria in Wien.
Verschiedene Rechtsformen
Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen diesen beiden Formen der gemeinschaftlichen Solarstromnutzung. „Ein wesentlicher Unterschied sind die eigenen Rechtsformen, die man bei der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft und bei der BEG benötigt“, erklärt Karl Wetzlmayer von Kwantum Eco-Solutions. „Das heißt, die Betreiber müssen einen Verein oder eine GmbH gründen, damit sie diese Gemeinschaft etablieren können. Der große Vorteil bei der gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage ist, dass die Mitglieder untereinander einfach einen Vertrag abschließen können, um den Strom gemeinsam zu produzieren und zu verteilen.“
Bernd Vogel des KLIEN führt die gute Entwicklung in allen drei Bereichen unter anderem auf die Schaffung der Koordinierungsstelle für die gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen zurück. Sie steht Interessenten tatkräftig mit Beratung zur Seite.
Der Leiter der Koordinierungsstelle, Stephan Heidler, hat auf der Konferenz die aktuellen Zahlen vorgestellt. Neben den 3.180 Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften sind in Österreich derzeit 3.190 gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen in Betrieb. Außerdem haben sich inzwischen schon 570 Bürgerenergiegemeinschaften gegründet.
Große Unternehmen beteiligen
Ob die Entwicklung so weitergeht, wird sich zeigen. Denn die Regelungen sind zwar klar, doch durch das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) sollten eigentlich weitere Hürden aus dem Weg geräumt werden. So war vorgesehen, dass in Zukunft auch große Unternehmen an den Energiegemeinschaften teilnehmen können. Bisher ist dies nur für Haushalte sowie kleine und mittelständische Unternehmen vorgesehen. Die alte Bundesregierung hat es nicht geschafft, dieses Gesetz zu verabschieden. Ob die vorgesehenen Stärkungen der gemeinschaftlichen Stromnutzung unter der neuen Regierung Bestand haben, ist bisher noch unklar.
Rabatte auf die Netzentgelte
Dennoch rechnet sich die gemeinschaftliche Erzeugung auch jetzt schon, wie Karl Wetzlmayer betont. Denn die Mitglieder profitieren dabei nicht nur von preiswertem Solarstrom, sondern auch von weiteren Vergünstigungen. Schließlich fallen für den Strom einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage keine Netzentgelte an, was bei der jüngsten Erhöhung ein riesiger wirtschaftlicher Vorteil ist.
In Oberösterreich wird damit der vor Ort genutzte Sonnenstrom auf der Verteilnetzebene um 8,16 Cent pro Kilowattstunde preiswerter als der Netzstrom – zusätzlich zu weiteren Vergünstigungen bei den Abgaben. Bei den Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften ist dieser Nutzen zwar etwas geringer, doch sie profitieren von gesetzlich vorgegebenen Rabatten bei der Netznutzung.
Bei lokalen Energiegemeinschaften, die ihren Strom im Bereich eines Trafos verteilen, liegt der Rabatt bei 57 Prozent. Damit zahlen diese Verbraucher beispielsweise in Oberösterreich nur noch 3,51 Cent pro Kilowattstunde an Netzentgelt – 4,65 Cent weniger als für den Netzstrom. Wird die Sonnenenergie überregional verteilt, sinkt der Rabatt zwar auf nur noch 28 Prozent. Doch das bedeutet immer noch eine Einsparung von 2,28 Cent pro Kilowattstunde, wie Karl Wetzlmayer vorrechnet.
Abrechnung über eine Plattform
Dass dies auch für gewerbliche Mieter enorm attraktiv ist, hat er anhand eines Beispiels eines Einkaufszentrums in Bad Hall im oberösterreichischen Traunviertel gezeigt. Auf dem Dach des Einkaufszentrums hat Kwantum einen Solargenerator mit einer Leistung von 122 Kilowatt als gemeinschaftliche Erzeugungsanlage gebaut, die Kwantum auch betreibt. „Wir vereinbaren mit dem Immobilienbesitzer die Dachüberlassung und verkaufen den Strom an die Mieter im Gebäude“, beschreibt Karl Wetzlmayer das grundlegende Prinzip.
Die Abrechnung erfolgt im Prinzip über eine elektronische Datenaustauschplattform. „Die Netzbetreiber speisen die Erzeugungs- und Verbrauchsdaten dort einmal im Monat ein. Wir holen uns von der Plattform die Daten und verrechnen den Solarstrom mit den Mietern.“ Seit einiger Zeit ist es sogar möglich, einen Speicher in solche Systeme zu integrieren, um den Überschussstrom auch in der Nacht an die Mieter verkaufen zu können.
90 Prozent Autarkie im Sommer
In Bad Hall ist allerdings kein Speicher installiert. Trotzdem können die Mieter fast vollständig mit dem Solarstrom beliefert werden. Denn sie verbrauchen natürlich den meisten Strom dann, wenn die Anlage auf dem Dach auch die Energie produziert.
Rein bilanziell liefert die Anlage von Anfang März bis Ende Oktober viel mehr Strom, als vor Ort verbraucht wird. Hier müssen die Mieter nur in den Stunden ohne Sonnenschein Netzstrom beziehen. Dadurch kann der Generator auf dem Dach etwa 90 Prozent des Strombedarfs abdecken. Nur von Anfang November bis Ende Februar steht auch bilanziell nicht genügend Solarstrom zur Verfügung. In dieser Zeit steigt der Bedarf an Netzstrom.
Mieter bleiben bei der Stange
Insgesamt deckt die Solaranlage – entsprechend den Betriebsdaten zwischen Anfang Januar 2024 und Ende Januar 2025 – satte 70 Prozent des Energiebedarfs im Einkaufszentrum ab. „Mit einem Speicher könnten wir diesen Eigenverbrauch auf 80 bis 85 Prozent steigern“, sagt Karl Wetzlmayer. Diese Werte können sich sehen lassen. Die Mieter wissen die niedrigen Kosten des Solarstroms aus der Gemeinschaftsanlage zu schätzen. Allerdings ermöglicht Kwantum jedem Mieter eine monatliche Kündigung des Bezugs von Sonnenstrom. „Wir sind in diesem Punkt relativ flexibel. Denn wir wissen immer, kein Mieter kann günstigeren Strom kaufen als bei uns“, sagt Wetzlmayer.
https://energiegemeinschaften.gv.at

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Koordinierungsstelle Energiegemeinschaften
Verbrauch in Energiegemeinschaften abrechnen
Die einzelnen Strommengen in den Energiegemeinschaften müssen detailliert erfasst werden, um sie abrechnen zu können. Die Herausforderung für viele Energiegemeinschaften ist, dass die Energiedaten von den Netzbetreibern entweder unvollständig oder verspätet gemeldet werden. Eine präzise monatliche Abrechnung ist so nicht möglich. Deshalb können die Energiegemeinschaften jetzt auch mit Ersatzwerten arbeiten.
Im Idealfall liegen der Energiegemeinschaft die direkt gemessenen Echtzeitwerte der Erzeugung oder des Verbrauchs des Stroms (L1-Werte) vor oder sie können aus belastbaren Berechnungen oder manuellen Eingriffen (L2-Werte) berechnet werden. Doch wenn diese L1- und L2-Werte am jeweiligen Folgetag nicht vorliegen, können L3-Werte gebildet werden. Dies sind vorläufige Ersatzwerte, die nicht für die endgültige Abrechnung, sondern nur für Zwischenabrechnungen vorgesehen sind. Diese L3-Werte können die Netzbetreiber innerhalb von 16 Kalendertagen durch L1- oder L2-Werte ersetzen.
Sollten allerdings für einen Zählpunkt auch nach diesen 16 Tagen keine vollständigen Messwerte verfügbar sein, wird dieser Zählpunkt für den betreffenden Zeitraum bei der Energiezuteilung der Energiegemeinschaft nicht berücksichtigt. Das heißt, es wird davon ausgegangen, dass an diesem Zählpunkt keine Energie verbraucht oder eingespeist wird. Durch die klare Einführung dieser Fristen soll verhindert werden, dass fehlerhafte oder unvollständige Daten zu ungenauen Abrechnungen führen, heißt es von der Österreichischen Koordinierungsstelle Energiegemeinschaften. Die Energiegemeinschaften und ihre Teilnehmer sollten deshalb dafür sorgen, dass die Werte regelmäßig gemessen werden.
Eine detaillierte Beschreibung und ein Schema zur Übermittlung der Energiedaten sind auf der Website der Koordinierungsstelle Energiegemeinschaften zu finden. Hier gibt es auch Hinweise zu den nutzbaren Kommunikationssystemen.
https://energiegemeinschaften.gv.at/messung-und-aufteilung

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KLIEN
Infoangebot über Speichernutzung veröffentlicht
Speicher können auch in Energiegemeinschaften den Eigenverbrauch optimieren. Doch wie funktioniert die Speichereinbindung in solche Systeme und was müssen die Gemeinschaften dabei beachten? Diese Fragen klären eine Informationsbroschüre und ein Video, das der Klima- und Energiefonds (KLIEN) auf der Website der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften veröffentlicht hat.
Der Vorteil der Energiegemeinschaft ist, dass sie die Erhöhung des Eigenverbrauchs von Strom aus der Solaranlage möglich macht. Um diesen Eigenverbrauch weiter zu optimieren, sind Speicher eine passende Lösung. Mit der neuen Webseite bietet die Koordinierungsstelle Betreibern und Planern von Gemeinschaftsanlagen grundlegende Informationen, wie ein solcher Speicher in das System eingebunden werden kann. Außerdem stehen rechtliche Informationen zur Verfügung, wie beispielsweise der Hinweis, dass der Speicher nur mit Solarstrom beladen werden sollte und nicht mit Netzstrom.
https://energiegemeinschaften.gv.at/speichereinbindung-in-energiegemein…

Foto: BSW-Solar/Maurer